Kohärenz 01 - Black*Out
Mutter zu seinem Dad, während sie noch in der Schlange vor dem Zoll warteten. »Schau doch nur, wie harmonisch die beiden sich bewegen. Ein Herz und eine Seele, möchte man meinen.« Sie winkte, und Linus und seine Begleiterin, die hinter einer riesigen Glasscheibe warteten, winkten zurück – tatsächlich mit nahezu identischen Bewegungen.
Sie hieß Ayumi, sprach hervorragend englisch und war aus der Nähe betrachtet genauso bildschön wie von Weitem.
Was sie an Linus finden mochte, mit seinen Ohrringen (er trug nun tatsächlich einen neuen, einzelnen am rechten Ohr!), Tätowierungen und seiner Knollennase, war äußerst rätselhaft. Immerhin sah man ihm den neuen Wohlstand an: Die karierten Flanellhemden waren Designerjeans und einem Jackett gewichen, das genauso teuer aussah wie sein Haarschnitt, und es ging etwas von ihm aus, was wohl das Fluidum des Erfolgs sein mochte.
Die Begrüßung verlief mit viel Hallo und Schulterklopfen. Wie der Flug gewesen sei, wollte Linus wissen. »Businessclass hat schon was«, gab Dad zu. »Aber seit man in Flugzeugen Mobiltelefone benutzen darf … Also, auf einem Zwölfstundenflug nervt das schon ziemlich.«
Linus lachte nur. »Das ist der Fortschritt. Nicht aufzuhalten.«
Die beiden dirigierten sie durch die ungeheuren Ströme von Menschen, die den Flughafen betraten oder verließen, zu einer vor dem Haupteingang wartenden, langen Limousine mit getönten Scheiben. Feuchte Hitze schlug ihnen entgegen. Der Parkplatz war Fahrzeugen mit Sondererlaubnis vorbehalten, wie zahllose Schilder unmissverständlich und unter Androhung hoher Strafen bei Zuwiderhandlung verkündeten. Ein Chauffeur in Uniform öffnete ihnen den Wagenschlag und kümmerte sich um ihre Koffer.
»Wir haben euch ein Zimmer im Fullerton reserviert«, erklärte Linus, als sie losfuhren. »Wir haben zwar Gästezimmer in unserer Wohnung, aber die sind durch unerwarteten Besuch belegt … Familie, ihr versteht? Das hat hier in Asien absoluten Vorrang.« Er machte eine wedelnde Handbewegung, wirkte einen Moment lang nicht wie der Manager, der alles im Griff hat, sondern wie der alte Linus, den sie kannten. »Aber das Fullerton ist ein tolles Hotel, das wird euch gefallen!«
Auch hier fuhr man links, genau wie in England. Der Verkehr floss erstaunlich friedlich auf vielspurigen Straßen, auf eine Silhouette von Wolkenkratzern zu.
»Ja, Singapur ist eine ruhige Stadt«, meinte Linus auf eine entsprechende Bemerkung Dads. »Wir haben die niedrigste Kriminalitätsrate der Welt – Verbrechen sind hier quasi unbekannt. Ihr braucht euch, wenn ihr die Stadt auf eigene Faust erkunden wollt, keine Sorgen zu machen: Man kann wirklich zu jeder Tages- und Nachtzeit überallhin, ohne dass einem was passiert.«
»Das habe ich im Reiseführer gelesen«, warf Christophers Mutter ein. »Wie kommt das?«
Linus grinste schief. »Das Geheimnis ist totale Kontrolle. Singapur ist praktisch eine Diktatur – eine wohlwollende und vernünftige zwar, aber von Mitbestimmung des Volkes kann keine Rede sein. Es gelten drastische Gesetze, und die Strafen für Vergehen sind so hoch, dass sie wirklich abschrecken.«
Dad nickte. »Man hat uns beim Einchecken darauf hingewiesen, dass man nicht mal Zigaretten einführen darf.« Er hob die Schultern. »Egal, wir rauchen ja sowieso nicht.«
»War das alles, was sie euch gesagt haben?«
»Wieso?«
»Weil man sich in Singapur auch besser benehmen muss als sonst überall auf der Welt«, erklärte Linus. »Essen oder trinken in öffentlichen Verkehrsmitteln ist verboten und kostet fünfhundert Dollar Strafe. Eine Straße abseits ausgewiesener Überwege zu überqueren, ist verboten. Müll auf den Boden zu werfen, kostet bis zu dreitausend Dollar Strafe, außerdem muss man Kehrdienst auf den Straßen ableisten. Die Einfuhr von Kaugummi wird mit geradezu absurd hohen Strafen bedroht, zehntausend Dollar oder so …«
»Kaugummi?«
»Ja. Kommt man nicht von selber drauf, oder? Und so geht das weiter. Einem Mann, der einer Frau gegenüber aufdringlich wird, drohen Haft oder Prügelstrafe. Korruption wird atemberaubend streng bestraft, deswegen gibt es keine. Und der Besitz von Drogen wird mit der Todesstrafe geahndet, auch bei winzigen Mengen, ohne jede Ausnahme. Singapur hat die höchste Zahl von vollstreckten Todesurteilen pro Kopf weltweit.«
»Ja«, sagte Dad. »Das stand auf dem Einreiseformular, das man uns im Flugzeug gegeben hat. Nicht zu übersehen.«
»Alles ist geregelt. Zeitungen und
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