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Kohärenz 02 - Hide*Out

Kohärenz 02 - Hide*Out

Titel: Kohärenz 02 - Hide*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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weil er als Student ein schräges Experiment angefangen hat. Er hat sich vorgenommen, sein gesamtes Leben auf Video aufzunehmen. Jede einzelne Minute. Und das zieht er seither durch.«
    Madonna rückte ein Stück von ihm weg. »Das ist jetzt ein Witz, oder?«
    »Nein, ehrlich. Er hat damals Informatik am Caltech studiert, in Kalifornien. Er hat sich einen Hut konstruiert, auf dem eine Kamera montiert war, und das Bild der Kamera hat er rund um die Uhr ins Internet übertragen.«
    »Nee, oder? Und wenn er aufs Klo ist?«
    »Auch. Er hat sich halt angewöhnt, woandershin zu schauen. Ich glaube, er hat den Helm nur zum Duschen und Schlafen abgelegt. Wenn er geduscht hat, hat man die Schale mit der Seife gesehen, und wenn er geschlafen hat, die Ziffern seines Digitalweckers.«
    »Das ist das Schrägste, was ich je gehört habe. Dann hat der ja null Privatleben, oder?«
    Christopher hob die Schultern, ein Auge auf dem Download der Mailadressen. »Wie man’s nimmt. Man hat ja nur gesehen, was er sieht, aber nicht ihn selber. In seiner Wohnung und an der Uni hat er in den Räumen, in denen er sich regelmäßig aufgehalten hat, sämtliche Spiegel abgehängt oder zugeklebt. Irgendwie hat er es fertiggebracht, dass bis heute kein Bild von ihm bekannt ist. Ich hab keine Ahnung, wie er aussieht.« Nach dem, was über seinen Lebenslauf bekannt war, musste der Pentabyte-Man etwa vierzig Jahre alt sein: Das war mehr oder weniger schon alles, was man wusste.
    »Vielleicht hat er es sich jetzt doch anders überlegt«, meinte Madonna. »Vielleicht hat er geheiratet und seine Frau will nicht, dass er mit dem Blödsinn weitermacht. Also, ich jedenfalls würde das nicht wollen.« Sie schüttelte sich. »Ganz bestimmt nicht.«
    »Er ist nicht verheiratet. Und er überträgt die Aufnahmen seiner Webcam auch schon lange nicht mehr ins Netz; das hat er nur das erste halbe Jahr gemacht. Aber danach hat er angefangen, alles aufzuzeichnen; lückenlos. Zuerst mit Videorekordern und später, als die Festplatten größer wurden, direkt auf Platte. Er hat ausgerechnet, dass er, wenn er das sein ganzes Leben lang durchzieht, auf diese Weise ein Pentabyte Daten erzeugen kann. Daher der Name.«
    Der Download war abgeschlossen. Nebenher hatte Christopher einen anderen Mailadressen-Server entdeckt, der noch schwächer gesichert war als der erste. Das würde zwar nicht der große Rundumschlag werden, aber zumindest keine Pleite. »Aber er war immer online. Ich konnte ihn immer erreichen, wenn ich was wissen wollte. Wir haben uns gegenseitig weitergeholfen. Dass er nicht verfügbar ist, ist… na ja. Beunruhigend eben.«
    »Heißt das, dass du jetzt nichts machen kannst für mein Video?«
    Es tat fast körperlich weh, die Enttäuschung in ihrer Stimme zu hören. »Doch, doch«, beeilte sich Christopher zu versichern. »Ich mach es halt anders, als ich es vorhatte. Auf eigene Faust.«
    »Super«, sagte sie so erleichtert, dass Christopher sich wie ein Verräter vorkam.
    Es war unfair, ihr nicht zu sagen, wie die Dinge wirklich standen. Klar. Aber er brachte es einfach nicht fertig. Fand keinen Anfang, hatte keine Ahnung, wie er es ihr schonend beibringen konnte.
    Stattdessen machte er immer weiter. Ging daran, die eigentliche Mail zu verfassen. Dabei machte er mit jedem Schritt, den er tat, das Problem nur noch größer!
    Währenddessen zog Madonna das glitzernde Teil von vorhin aus der Tasche und fragte: »Du, sag mal, wär das okay, wenn ich kurz meine Cousine anrufe? Ich hab gedacht, ich könnte sie doch bitten, das Video im Blick zu behalten und ein bisschen Buch zu führen, wie sich die Zahl der Zugriffe entwickelt. Das wäre doch interessant zu wissen, oder?«
    Christopher hielt inne. Erst jetzt begriff er, dass das Gerät, das sie ihm vorhin im Auto gezeigt hatte und das aussah wie ein zu dick geratenes Schmuckstück, nicht einfach ein MP3-Player war, sondern ein Mobiltelefon. »Du weißt schon, dass alle Telefonate abgehört werden?«
    Sie warf ihre langen schwarzen Haare zurück über ihre Schultern. »Ja, klar. Ich benutze es auch so gut wie nie. Wenn ich Musik damit höre, hab ich es immer im Fly-Mode, hundertprozentig. Aber manchmal muss ich einfach Musik hören, verstehst du? Damit ich nicht durchdrehe.« Eine besorgte Falte tauchte auf ihrer Stirn auf. »Du darfst niemand davon erzählen. Wenn mir mein Vater nicht den Kopf runterreißt, macht’s mein Bruder.«
    Christopher verzog das Gesicht. »Ich sag’s niemandem, aber Sorgen mache ich

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