Kohärenz 02 - Hide*Out
drittes Gespräch heute. Die beiden Termine davor waren nicht wirklich gut verlaufen. Ihre erste Gesprächspartnerin, Herausgeberin einer Obdachlosen-Zeitung, hatte nach fünf Minuten erklärt, für so einen Unsinn keine Zeit zu haben, und sie hinausgeworfen.
Inzwischen hatte Jeremiah Jones, so hoffte er zumindest, seinen Vortrag über die Geschichte der Kohärenz und die Gefahr, die sie darstellte, erheblich verbessert.
»Ich gebe ein Magazin heraus, das sich mit Fragen der Aufzucht gewisser Zehnfußkrebse beschäftigt«, erklärte Brendan Davenport bedächtig und begann, seine Hände zu massieren. »Ein Artikel, wie er Ihnen vorschwebt, wäre thematisch… hmm, äußerst gewagt.«
»Nun, wie ich Ihnen erklärt habe, ist uns der Weg zu den großen Medien leider versperrt.« Jeremiah legte ihm ein Foto hin. »So sieht übrigens der Chip aus.« Er hätte ihm auch einen echten Chip zeigen können – sie hatten fast zwei Dutzend davon erbeutet und im Grunde keine Verwendung dafür –, aber noch wollte er nicht so weit gehen.
Davenport nahm das Foto in die Hand, betrachtete es. »Mmmh. Ja. Also, ganz ehrlich, Mr Jones – ich bin kein Fachmann. Sie könnten mir hier sonst was zeigen und behaupten, das sei ein Wunderchip, ich müsste es Ihnen einfach glauben.«
»Beunruhigt Sie dieser Gedanke nicht? Dass jemand kommen und Ihnen einen solchen Chip einpflanzen könnte?«
Der Mann schob den Unterkiefer nach vorn, machte einige mahlende Bewegungen damit, ehe er antwortete. »Im Nachbarort wohnt einer, der erzählt allen, die ihm nicht rechtzeitig aus dem Weg gehen, dass die Welt von reptilienartigen Aliens regiert wird, die sich nur als Menschen verkleiden. Sämtliche Präsidenten, Generäle, Konzernbosse… alles Aliens, sagt er.« Er reichte ihm das Foto zurück. »Verstehen Sie mich nicht falsch – es ist nicht so, dass ich Ihre Geschichte in dieselbe Kategorie einordne. Aber er kommt schon seit Jahren an und will einen Artikel über seine Theorie in meinem Blatt veröffentlichen. Seit Jahren. Bisher hab ich ihn immer damit abwimmeln können, dass seine Aliens nun mal nichts mit Garnelen und Krebsen zu tun haben. Aber wenn ich jetzt Ihre Geschichte bringe, die ja nun auch nichts mit Garnelen oder Krebsen zu tun hat, was sag ich ihm dann?«
Jeremiah wechselte einen hilflosen Blick mit Rus, dann seufzte er. »Das weiß ich auch nicht, Brendan. Beim besten Willen nicht. Ich kann Sie nur bitten, meine Situation zu verstehen. Diese Wesenheit – die Kohärenz, wie wir sie nennen – verfolgt mich und meine Leute. Die einzige Chance, die wir haben, ist die, uns zu wehren. Dafür brauchen wir Menschen, die bereit sind, uns zu helfen.«
»Das habe ich schon verstanden. Ich schätze auch Sie und Ihre Arbeit, Mr Jones, missverstehen Sie mich da nicht. Ich hab zwei von Ihren Büchern gelesen und verdanke Ihnen zum Beispiel, dass ich kein Mobiltelefon mehr habe. Paradiesisch, das Leben ohne, ganz klar. Aber ich fürchte, dass Sie meine Möglichkeiten ziemlich überschätzen. Wie gesagt – Zehnfußkrebse. Garnelen. Die Liebhaber dieser Art Tiere sind nicht gerade die mächtigste Einflussgruppe in diesem Land.«
»Ich verlange ja nicht, dass Sie es allein tun«, erklärte Jeremiah mit aller Eindringlichkeit, zu der er imstande war. »Was ich organisieren will, ist eine große Aktion. Möglichst viele unabhängige kleine Medien, die alle am gleichen Tag denselben Artikel publizieren. Sie können sich gern im Editorial von meinem Text distanzieren, wenn Sie thematische Bedenken haben – Hauptsache, Sie publizieren ihn. Hauptsache, Sie helfen mit, dass die Wahrheit bekannt wird.«
Brendan Davenport knetete seine Hände heftig. Dann gab er sich einen Ruck und erklärte: »Also, das wäre meine Bedingung. Dass auch andere mit dabei sind. Ich will nicht der Erste sein, der mitmacht, und der Einzige schon gar nicht. Aber wenn Sie genug andere auftreiben, bin ich dabei.«
»Neunzehn Zeitungen und Zeitschriften haben wir schon, dazu sechs Radiostationen. Was sagen Sie dazu?«
Der Mann mit dem krebsroten Kugelkopf verzog den Mund. »Zu wenig. Dreißig bis vierzig sollten es schon sein.«
»Hab ich wahrscheinlich bis zum Ende der Woche zusammen«, erklärte Jeremiah.
»Gut. Dann melden Sie sich einfach noch mal.«
So verblieben sie. Die Garnelen in den Aquarien standen Spalier und schienen sich zu wundern, dass sie schon gingen.
»Neunzehn Zeitungen und Zeitschriften, sechs Radiostationen?«, wiederholte Rus, als sie wieder im
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