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Kohärenz 02 - Hide*Out

Kohärenz 02 - Hide*Out

Titel: Kohärenz 02 - Hide*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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verzichten.«
    »Neal«, meldete sich Dr. Connery zu Wort, »es tut mir leid, das ausgerechnet dir sagen zu müssen, aber du hast eine ziemlich naive Vorstellung davon, was der Begriff Evolution bedeutet. Damit ist ein Entwicklungsprozess gemeint und die Regeln, nach denen er abläuft. Aber wenn man hört, wie du das Wort verwendest, könnte man meinen, du sprichst von einer Göttin.«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Dass dein Gerede vom nächsten Schritt der Evolution Unfug ist. Evolution hat kein Ziel. Evolution probiert aus und behält das, was funktioniert – das ist alles. Die Theorie der Evolution erklärt nur, woher wir kommen, aber sie kann nichts darüber aussagen, wohin wir gehen.« Er hob die Hand, als Melanie sich in die Diskussion einmischen wollte. »Wartet. Ein Freund von mir, ein Biologe, vergleicht die Evolution in seinen Vorlesungen immer mit einer abgehenden Lawine, aus der sich ein Stein löst, der einen Wanderer erschlägt: Den Wanderer zu erschlagen, war keine Absicht der Lawine. Lawinen sind nur Steine in Bewegung, sie können keine Absichten haben und haben auch keine. Die Bewegungen der einzelnen Steine gehorchen physikalischen Gesetzen – dem Impulsgesetz, dem Stoßgesetz zum Beispiel –, Gesetzen, die völlig eindeutig und im Einzelfall auch berechenbar sind. Trotzdem hätte die ganze Abfolge von Bewegungen und Stößen, die dazu geführt hat, dass ein Stein den Wanderer erschlagen hat, auch anders ablaufen können. Der Stein hätte an einer anderen Stelle aufkommen können, der Wanderer hätte mit dem Schrecken davonkommen können und auch dieser Ablauf wäre physikalisch vollkommen erklärbar gewesen. Nur der Vorausberechenbarkeit solcher Abläufe sind Grenzen gesetzt, das ist alles.«
    Neal richtete den ausgestreckten Zeigefinger auf den Neurologen, dessen Forschungen überhaupt erst zum Entstehen der Kohärenz beigetragen hatten. »Du sagst es – die Evolution probiert aus und behält, was funktioniert. Mit anderen Worten, wenn die Kohärenz funktioniert, dann müsstest selbst du mir zustimmen, dass wir es tatsächlich mit dem nächsten Schritt der menschlichen Evolution zu tun haben!«
    Auf einmal redeten alle durcheinander. Und es war nicht mehr wie sonst, wenn alle durcheinanderredeten. Die Worte flogen heftig, hatten einen scharfen Klang.
    Lilian sah von einem zum anderen. Wenn es jemals einen Moment gegeben hatte, in dem die Gruppe in der Gefahr stand auseinanderzubrechen, dann war es dieser.
    Da endlich hob Jeremiah die Arme, wartete, bis Ruhe einkehrte. Und sie kehrte ein. Immerhin. Sie hörten noch auf ihn.
    »Sollte jemand in dieser Runde ernsthaft der Überzeugung sein, dass die Kohärenz die unausweichliche Zukunft der menschlichen Spezies darstellt, hat er selbstverständlich das Recht, das zu denken«, erklärte Jeremiah entschieden. »Aber dann muss er diese Gruppe verlassen. Nicht als Strafe, nicht als Repression, sondern ganz einfach, weil wir dann nicht mehr auf derselben Grundlage stehen. Bestimmte Überzeugungen zu teilen, ist das, was eine Gruppe definiert. Jemand, der, sagen wir, Eishockey nicht leiden kann und für Zeitverschwendung hält, hätte im Fanklub einer Eishockeymannschaft auch nichts verloren.«
    Die ersten Köpfe in der Runde nickten.
    »Es ist mir egal, ob die Evolution Absichten hat oder nicht«, fuhr Jeremiah fort. »Wir Menschen haben auf jeden Fall welche. Wir haben Wünsche, Träume, Ziele. Und die Person sein zu dürfen, die man ist; der Mensch bleiben zu können, der man ist – das ist die Grundlage von allem. Ohne das lebt man nicht, man existiert bloß. Eine Kohärenz mag anders darüber denken, das kann ich nicht beurteilen, aber für einen einzelnen Menschen kann es nach meiner Auffassung keine andere Haltung geben als die, gegen das Stellung zu beziehen, was die Kohärenz verkörpert. Die Kohärenz ist nicht die nächste Stufe in unserer Evolution, sondern das Ende von allem, was Menschsein ausmacht.«
    Nun nickten sie alle.
    Sogar Neal Lundkvist.

60 | Christopher blieb an diesem Abend wach, starrte an das dunkle Zeltdach und lauschte den Geräuschen der Nacht. Er hörte den Wind in den Baumwipfeln, hörte den lang gezogenen, klagenden Ruf irgendeines Tiers, das ihm schon öfter aufgefallen war und das nur abends Laute von sich zu geben schien. Weiter weg hörte er die Stimmen der Mädchen, wie sie in ihrem Zelt miteinander flüsterten, wie die Pausen immer länger wurden und wie schließlich Stille einkehrte.
    Er wartete noch eine

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