Kohärenz 02 - Hide*Out
Weile. Dann wisperte er: »George?«
Einen Herzschlag lang blieb es so still, dass Christopher schon befürchtete, der junge Indianer sei bereits eingeschlafen. Dann kam die genauso leise, glasklare Antwort: »Ja?«
»Ich hab einen Entschluss gefasst.«
George erwiderte nichts, aber Christopher wusste, dass er zuhörte.
»Ich bin ein zu großes Risiko für die Gruppe«, fuhr er fort. »Wir haben ein paar Tage lang Glück gehabt, aber ich glaube nicht, dass wir das noch lange durchhalten. Deshalb gehe ich heute Nacht fort. Ich sag dir das, weil du es sowieso mitgekriegt hättest, wenn ich mich nachher wieder anziehe und ein paar Sachen packe. Dann seid ihr frei und könnt zu Jeremiah und den anderen stoßen.«
»Und du? Wo willst du hin?«
»Weiß ich noch nicht. Zuerst mal fort. Raus aus dem Wald, zur nächsten Straße…« Er sprach von einem Fußmarsch von mehreren Kilometern durch den Wald. Das würde hart werden. Zum Glück hatten sie beinahe Vollmond und der Himmel war klar. Das musste er nutzen. »Und irgendwann per Anhalter weiter. So, wie ich von Mexiko aus nach Santa Cruz gekommen bin.«
»Okay«, sagte George. »Und was hast du wirklich vor?«
Irgendwie entwaffnete Christopher diese Frage. Es hatte offenbar keinen Zweck zu versuchen, George Angry Snake etwas vorzumachen.
Also erzählte er ihm von seinem Plan.
»Vergiss es«, war Georges Kommentar. »Das schaffst du alleine nicht.«
Stoßtrupp
61 | »Serenity!«
Jemand rüttelte sie an der Schulter. Aber das war nicht schlimm. Nichts, das man nicht hätte ignorieren können.
»Serenity!«
Sie stöhnte. Hatte man denn nie seine Ruhe? Sie wollte doch nur schlafen, einfach nur schlafen. Seit wann war denn das verboten?
»Serenity, wach auf!«
Serenity öffnete ein Auge, nur eines, und das auch nur ein kleines bisschen, denn wenn man die Augen gleich wieder zumachte, gelang es vielleicht weiterzuschlafen…
Es war Madonna. Natürlich. Seltsam aufgeregt sah sie aus.
»Was ist denn?«
Madonnas Augen waren groß wie Kanalschächte. Na gut, fast so groß. »Das Zelt der Jungs ist weg«, sagte sie.
Na, so was. Gab es das, dass man meinte, geweckt worden zu sein, und dann war es doch nur wieder ein Traum? Ulkig. Das hatte sie jetzt auch noch nie erlebt.
»He!« Schon wieder dieses Rütteln. »Schlaf nicht wieder ein! Hast du nicht gehört? Das Zelt ist weg!«
Serenity starrte die Freundin an und hatte immer noch keine Lust, sich der Realität zu stellen. Die Realität, das hieß bloß wieder flüchten, sich verstecken, Probleme haben… Da war es entschieden angenehmer, einfach weiterzuschlafen.
»Das Zelt der Jungs?«, wiederholte sie.
»Sag ich doch.«
Okay. Also kein Traum. Schade. Serenity raffte sich auf, krabbelte zum Zeltausgang, spähte hinaus.
Tatsächlich. Der Platz, an dem das Zelt von Christopher und George gestanden hatte, war leer. Und es war noch ziemlich früh am Morgen. Zwischen den Bäumen herrschte dämmrige Finsternis, während hoch über ihnen erste blaue Schimmer zwischen den Wipfeln sichtbar wurden.
»Ich musste nur mal raus«, erzählte Madonna beunruhigt, »und da… war es weg.«
Serenity hob den Kopf. Kyles Wagen zumindest war noch da.
»Warst du drüben?«, fragte sie. »Sieht man irgendwelche Spuren?«
»Was für Spuren denn?«
»Was weiß ich… Wo sie hin sind, halt.«
»Ich war noch nicht draußen. Ich wollte bloß, aber dann…« Madonna schien in sich zusammenzusacken. »Mir ist das unheimlich.«
Serenity angelte nach ihren Jeans. »Komm.«
Wenig später schritten sie um den verlassenen Zeltplatz herum. Klar sah man Spuren. Spuren, dass hier ein Zelt gestanden hatte. Flach gedrücktes Gras, in den Boden gepresste Steine und Zweige, Löcher, wo die Heringe gesteckt hatten.
Serenity fröstelte; sie wusste nicht, ob von der Morgenkühle oder von dem unheimlichen Gefühl, das nun auch sie beschlich.
»Geh nicht fort«, murmelte Madonna und verdrückte sich ins Gebüsch.
War Kyle wenigstens noch da? Serenity stapfte hoch zu seinem Wagen, sah erleichtert seine wuschelige Mähne hinter dem Fenster. Den Beifahrersitz ganz nach hinten gekippt lag er da, in seinen graugrünen Schlafsack gemummelt, und schlief wie ein Baby.
Sie musste mehrmals kräftig klopfen, ehe er hochfuhr.
»Was ist denn los?« Zerknittert und verschlafen hockte er auf seinem schiefen Nachtlager und hielt die Wagentür fest, als hätte er sie am liebsten einfach wieder zugezogen.
Sie sagte ihm, was los war. Kyle blinzelte auch
Weitere Kostenlose Bücher