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Kohärenz 02 - Hide*Out

Kohärenz 02 - Hide*Out

Titel: Kohärenz 02 - Hide*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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beiseite. Salat wärmte nicht. Ihm war kalt, trotz des Lagerfeuers. Bestimmt eine Nachwirkung dieser verrückten Nacht. Bloß wurde ihm davon, dass er sich das sagte, auch nicht wärmer.
    Irgendwo musste er doch noch den dünnen Pullover haben; den konnte er drüberziehen. Er ging zum Zelt, wühlte in seinem Kleiderbeutel, stieß aber immer wieder auf die gleichen Klamotten. So ein Sack war praktisch, wenn man packte – einfach alle Sachen reinschmeißen und fertig –, aber sobald man etwas Bestimmtes suchte, kämpfte man mit dem Chaos. So verschwand sein Arm immer tiefer in dem Gewühl, kramte und tastete, zog heraus und stopfte zurück…
    … und auf einmal bekam er etwas zwischen die Finger, das sich seltsam anfühlte. Eine kleine Plastikschachtel. Was war das?
    Er zog es heraus, betrachtete seinen Fund im sterbenden Licht der einbrechenden Dämmerung. Sieh an: einer der Chips, die sie in Silicon Valley erbeutet hatten. An den hatte er gar nicht mehr gedacht. Er hatte die meisten Chips Serenitys Vater gegeben, aber einen hatte er behalten, für alle Fälle.
    Die Plastikschachtel bestand aus einem weichen Material, das unter Druck nicht gleich zerbrechen würde. Der Chip war nicht groß – vier davon hätten auf dem Nagel seines kleinen Fingers Platz gefunden – und schwamm mit seinen ausgestreckten Füßchen in einer leicht grünlich schimmernden Gallerte: Das war eine bioaktive Substanz, die dafür sorgte, dass sich die nötigen Verbindungen zwischen den Anschlüssen des Chips und dem Nervengewebe des Körpers rasch bildeten. Ohne dieses Gel wäre es schwierig gewesen, die Chips zu implantieren.
    »Christopher?«, rief jemand vom Feuer her. Serenity. »Alles okay?«
    »Ja!«, rief er zurück.
    Er betrachtete den Chip genauer. Dieses verdammte Stück Technik, das ihnen das alles hier eingebrockt hatte. Das die Menschheit bedrohte wie nichts je zuvor.
    Das Plastik der Verpackung war an ein paar Stellen so verdickt, dass es als Lupe dienen konnte, um den Chip auf sichtbare Mängel zu überprüfen. Das Etui war ringsum versiegelt; Christopher wusste, dass es luftdicht und mit Stickstoff gefüllt war. Die bioaktive Substanz durfte erst kurz vor der Implantation mit Sauerstoff in Berührung kommen.
    Er drehte das Etui, wollte es schon wieder wegpacken, als ihn etwas stutzen ließ. Er griff nach der Taschenlampe, die zwischen seinem und Georges Schlafsack lag, schaltete sie ein und richtete ihren Strahl auf den Chip. Was war das…?
    »Christopher? Wir verteilen den restlichen Salat. Willst du noch was?«
    »Komme gleich!«
    Er knipste die Lampe wieder aus, stopfte das Plastiketui mit dem Chip zurück in seinen Kleidersack und stand auf. Während er zum Lagerfeuer zurückging, nahm ein Plan in seinen Gedanken Gestalt an.
    Vielleicht, sagte er sich, würde seine von George so geschmähte Intelligenz doch noch zu etwas nutze sein.

59 | Lilian Jones war es, als spüre sie etwas wie einen elektrischen Schlag, den die Worte des weißhaarigen Arztes in der kleinen Runde auslösten. Sie senkte ihren Teller und sah auf, sah ihn an – genau wie alle anderen.
    »Wir gehen so selbstverständlich davon aus, dass die Kohärenz der Bösewicht ist und dass wir die Guten sind, wenn wir sie bekämpfen«, fuhr Neal mit dünner Stimme fort. »Aber mal angenommen, es ist nicht so?«
    »Neal«, wandte Melanie Williams ein, »du sprichst von Leuten, die anderen gewaltsam ein Gerät einpflanzen, das sie ihrer Persönlichkeit beraubt. Das ihre Persönlichkeit praktisch auslöscht!«
    »Gewaltsam, ja – aber vom Auslöschen der Persönlichkeit kann doch keine Rede sein. Wie wir an ihm sehen.« Neal deutete auf James Kidd, der ihn mit großen Augen anschaute. »Ein Schlaganfall richtet mehr Schaden in einem Gehirn an als so ein Chip, das kannst du mir glauben.«
    Lilian musste wieder daran denken, wie es gewesen war, in ihrem eigenen Haus überfallen zu werden von Leuten, die im Chor sprachen. Wie es sich anfühlte, wenn einem der Kopf in eine Halterung gespannt wurde. Sie träumte fast jede Nacht davon.
    Sie blickte zu Jeremiah hinüber. Warum griff er nicht ein? Warum sagte er nichts? Aber auch er saß nur da und sah den Arzt fassungslos an. Ihr wurde eiskalt.
    »Nein, ganz im Ernst. Das ist eine Frage, der wir uns meines Erachtens stellen müssen«, erklärte Lundkvist. »Kann es nicht sein, dass die Kohärenz schlicht und einfach der nächste Schritt in der menschlichen Evolution ist? Denkt mal darüber nach. Das ist eine wichtige

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