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Kohärenz 03 - Time*Out

Titel: Kohärenz 03 - Time*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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hatte sie Risse bekommen und ein paar Löcher, durch die man hindurchspähen konnte.
    Es fühlte sich gut an, ihn in den Armen zu halten. Es fühlte sich richtig an. Und ihn zu küssen, das war ...ja, irgendwie die normalste Sache der Welt und zugleich die sensationellste.
    »Du bist echt ein seltsamer Vogel, weißt du das?«, sagte sie, als sie sich nach einer kleinen Ewigkeit wieder voneinander lösten.
    »Hör ich nicht zum ersten Mal.«
    »Du hättest schon längst was sagen können.«
    »Wie gesagt, ich bin nicht so der Spezialist für diese Dinge.«
    »Verstehe. Wenn's für irgendwas kein User Manual gibt, bist du aufgeschmissen.«
    Er schüttelte den Kopf. »Das siehst du falsch. Wenn man kein User Manual hat, fängt das Hacken erst an.«
    Serenity musste unwillkürlich auflachen. »Wow. Das war jetzt romantisch.«
    »Ich sag nur, wie es ist.«
    Sie sah ihn an, legte ihm die Hand auf die Brust und spürte, dass ihr Tränen in die Augen stiegen. »Nein, ehrlich. Ich glaube nicht, dass es viele Mädchen gibt, die je so eine Liebeserklärung bekommen haben.«
    »Nicht?« Das schien ihn ernsthaft zu verblüffen. »Wieso? Wie machen es denn andere Jungs?«
    »Schlechter.«
    »Oh.«
    Sie schlang die Arme um ihn, sodass ihr Kopf auf seinen Schultern zu liegen kam, und flüsterte ihm ins Ohr: »Weißt du, was richtig, richtig schlimm war? Als du mit George abgehauen bist und wir allein weiterfahren mussten. Da hab ich gemerkt, dass du mir nicht egal bist. Ich hab gedacht, ich sehe dich vielleicht nicht wieder.«
    »Es ging nicht anders. Ich hätte dich sonst in Gefahr gebracht. Euch alle.«
    »Ich weiß.« Verdammte Kohärenz. Verdammte Welt. »Ich weiß.«
    Dann sprang sie auf und packte ihn an der Hand und zog ihn mit sich und rannte, weil sie es nicht mehr ausgehalten hätte, nicht zu springen und rennen, weil sie am liebsten gejauchzt hätte und jubiliert, gesungen und geschrien. Endlich! Endlich war alles klar!
    Christopher fing sie wieder ein, küsste sie noch einmal.
    »Ich dachte eine Weile, du hättest was mit Dylan Farrell«, gestand er dann.
    »Und ich hab gedacht, du seist in Madonna verliebt«, erwiderte sie.
    »Manchmal sollte man wirklich nicht so viel denken.«
    »Das sagt der Richtige.«
    Er musste lachen, dann war er es, der sie mit sich fortzog.
    War es wichtig, wohin sie gingen? Nein. Hauptsache, sie taten es gemeinsam. Ineinander verschlungen oder Hand in Hand. Wie schön es war, einfach nur die Hand eines anderen zu halten! An Baumreihen entlang, Treppen hinab, durch Gittertore hindurch, unbekannte Straßen entlang.
    Ausgelassen.
    Glücklich.
    Bis Christopher von einem Moment zum anderen erstarrte. Stehen blieb und sich nicht mehr rührte.
    »Was ist los?«, fragte sie, zerrte spielerisch an ihm.
    »Schau doch.« Seine Stimme klang gänzlich verändert.
    Sie folgte seinem Blick, wusste erst nicht, was er meinte, bis sie es entdeckte: ein altehrwürdiges Gebäude mit stuckverziertem Eingangsportal, durch dessen Fensterfront man eine Theke sah und Stühle, auf denen Leute warteten. An den Fensterscheiben klebte das blaue Quadrat mit den Buchstaben L und H darin.
    Sie standen vor einem Lifehook-Center.

    Serenity war, als habe ihr jemand einen Eimer kalten Wassers über den Kopf geschüttet. Eine Weile sahen sie einfach zu, wie Leute Broschüren studierten, warteten, mit den Angestellten hinter der Theke sprachen oder Formulare ausfüllten. Es herrschte ein reges Kommen und Gehen. Viele von denen, die aus der Tür ins Freie traten, taten es mit leuchtenden, staunenden Augen. »Hier also auch.«
    »Überall«, sagte Christopher tonlos.
    Es war merkwürdig. Ja, es war ein Schock. Sie hatte diese Realität eine köstliche Stunde lang ausgeblendet, und ihr so unvermittelt wiederzubegegnen, war wie ein Schlag mit dem Hammer vor den Kopf. Gleichzeitig wirkte der Anblick seltsam irreal – wie eine Mischung aus Arztpraxis und Telefonladen, eher wie eine Einrichtung, in der Menschen geholfen wurde, als wie eine Bedrohung der Menschheit.
    Trotzdem: Der Glanz, der bis gerade eben auf allem gelegen hatte, war erloschen. Der Chor der Engel war verstummt. Sie hatten einen schönen Traum geträumt und waren jäh daraus erwacht.
    Aber, sagte sich Serenity, sie hielt noch immer Christophers Hand in ihrer! Daran hatte sich nichts geändert. Und das würde auch so bleiben.
    »Komm«, sagte sie leise. »Weg von hier.«
    Sie gingen lange, ohne etwas zu sagen, so, als müssten sie sich den Schock aus den Gliedern

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