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Kohärenz 03 - Time*Out

Titel: Kohärenz 03 - Time*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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lieber unrecht gehabt.«
    Die Videoeinspielung endete. Die Sprecherin nahm das nächste Blatt. Im Hintergrund erschien das Foto eines Hochhauses, das Serenity nichts sagte.
    Sie schaute auf ihr Tablett hinab, auf all die Sachen, die ihr gerade eben noch so viel Appetit gemacht hatten. Und nun hatte sie das Gefühl, nie wieder etwas essen zu können. Sie hatte die anderen im Stich gelassen, war einfach abgehauen, mitten in der Nacht, war nichts als eine elende Verräterin ...
    Unsinn, sagte sie sich. Was hätte sie denn machen können? Wie hätte sie verhindern wollen, dass das geschah? Dad hatte auf niemanden gehört, auf sie auch nicht.
    Christopher stand immer noch da, ohne ein Tablett, nur mit einem Stück Papier in der Hand.
    »Hast du das Zimmer verlängert?«, fragte sie tonlos.
    Er schüttelte den Kopf. »Ist nicht mehr nötig.«
    »Wieso?« Einen Augenblick lang hoffte sie, Christopher habe einen seiner genialen, wie immer bis zuletzt geheim gehaltenen Pläne, mit denen er die Situation auf kühne und verrückte Weise retten würde. »Was hast du vor?«
    »Wir müssen umgehend packen und nach Saint-Brieuc fahren. Das ist etwa hundert Kilometer von hier entfernt an der Nordküste.«
    »Und dann?«
    »Treffen wir den PentaByte-Man.« Er reichte ihr den Zettel. Es war ein Fax. »Er hat sich vor zehn Minuten gemeldet.«
    Bei einem letzten Durchgang durchs Zimmer fand Christopher Serenitys Kamm, den sie im Bad vergessen hatte: ein deutliches Zeichen, wie sehr sie die Nachricht von der Verhaftung ihres Vater durcheinandergebracht hatte. Wobei – durcheinander war gar kein Ausdruck: Serenity wirkte wie betäubt. »Was wird jetzt aus Hide-Out?«, fragte sie mit glasigem Blick. »Mit Mom? Was wird mit Mom? Mit den anderen?«
    »Die sind nicht in unmittelbarer Gefahr«, versicherte ihr Christopher. »Sie haben noch mindestens drei, vier Tage, ehe die Kohärenz von Hide-Out erfährt.«
    »Und dann?«
    »Sind sie hoffentlich in Sicherheit. Es gibt einen Notfallplan. Komm, lass uns gehen.«
    »Was für einen Notfallplan?«, beharrte sie, ohne Anstalten zu machen, sich vom Fleck zu rühren.
    »Serenity«, erklärte Christopher ernst, »die letzte Chance, die dein Dad noch hat, sind wir. Wir und der PentaByte-Man. Deshalb sollten wir jetzt vor allem diesen Zug kriegen.«
    Sie schien sich zu fangen, entdeckte ihren Kamm in seiner Hand. »Okay«, sagte sie. »Gehen wir.«
    Wenig später verließen sie Rennes in einem nicht sehr bequemen und weitgehend leeren Nahverkehrszug. Christopher erzählte ihr, was er an dem Abend, ehe sie Hide-Out verlassen hatten, noch mit Dylan Farrell besprochen hatte.
    Serenity blinzelte. »Mit Dylan? Wieso ausgerechnet mit Dylan?«
    »Weil Dylan die meiste Erfahrung damit hat, wie man dem FBI entkommt. Weil er weiß, wie die ticken. Und weil er schlau ist.« Er erzählte von Dylans Idee mit dem Reisebus und der Tarnung als Studienreise.
    »Ja, okay. Schön und gut.« Sie wirkte nicht beruhigt. »Und dann? Wohin sollen sie denn gehen?«
    »Zu George und Madonna. In die verlassene Ferienanlage, von der sie in ihrer Mail geschrieben hat.«
    Serenity riss die Augen auf. »Aber George und Madonna wissen doch gar nichts von deinem Plan, oder?«
    »Ich habe George geschrieben, ehe wir los sind. Einen altmodischen Brief, sicherheitshalber. Ich hab ihn gebeten, mit Flüchtlingen aus Hide-Out zu rechnen, falls er hören sollte, dass Jeremiah Jones gefangen genommen worden ist.«
    Serenity musterte ihn mit einem schwer zu deutenden Blick. »Du hast vorausgesehen, dass das passieren würde.«
    »Sagen wir, ich habe es befürchtet«, erwiderte Christopher.
    Als der Zug das erste Mal hielt, stieg eine große Wandergruppe zu. Sie bestand zum größten Teil aus Jugendlichen, die sich ausgelassen und lärmend über die Wagen verteilten. An weitere Gespräche war nicht mehr zu denken. Es war ja auch alles gesagt. Christopher griff nach Serenitys Hand und so saßen sie schweigend, während vor dem Fenster die Landschaft vorbeizog.
    Nach etwa einer Stunde erreichten sie Saint-Brieuc. Der Zug passierte eine Brücke, die über ein tief und scharf eingeschnittenes, aber gleichwohl besiedeltes Tal führte und einen atemberaubenden Blick bot, dann kam der Bahnhof. Sie stiegen aus, zusammen mit einem großen Teil der Wandergruppe.
    Hier wirkte alles deutlich kleinstädtischer als in Rennes. »Diesmal kommt er aber, oder?«, fragte Serenity, als sie sich ratlos auf dem Bahnhofsvorplatz umsahen.
    Christopher nickte.

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