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Kohärenz 03 - Time*Out

Titel: Kohärenz 03 - Time*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Zeitschriftenkiosk ausländische Zeitungen anbot, holländische, deutsche, spanische und englische. Sie zog die aktuelle Ausgabe des Guardian aus dem Ständer. Auf der Titelseite zeigte ein Foto, wie der Präsident das Krankenhaus verließ.
    Die Schlagzeile daneben lautete: Lifehook künftig Schwerpunkt der US-Politik.

71

    Christopher schaute auf die Zeitung hinab. Serenity hatte sie ihnen hingeknallt mit den Worten: »Da. Es geht los.«
    Was ging los? Es war doch schon losgegangen, oder? Schon längst. Er starrte die Schlagzeile an, die dicken Buchstaben, ohne zu begreifen, was sie besagten.
    Guy dagegen stürzte sich sofort darauf. Er riss das Blatt an sich, raschelte beim Umblättern und ächzte beim Lesen, während Christopher versuchte, sich wieder auf das Listing der Identifikationsroutine zu konzentrieren. Doch in seinem Gedächtnis blieb ein hartnäckiges Abbild der Schlagzeile: Der amerikanische Präsident war aus dem Krankenhaus zurück. Die Upgrader hatten ihm den Chip verpasst, die Anpassungszeit war vorüber, der Präsident war jetzt Teil der Kohärenz und begann, in ihrem Sinne zu handeln.
    »Ein Albtraum«, murmelte Guy, warf die Zeitung auf den Tisch, fischte seine Zigarilloschachtel aus der Hemdtasche und stieg humpelnd auf den Vorplatz hinab.
    Christopher langte nach der Zeitung, warf Serenity einen Blick zu. Sie lehnte an der Tür, sah völlig geschockt aus. Er las den Artikel.
    Der Präsident hatte nach seiner Rückkehr aus dem Krankenhaus – es wurde immer noch behauptet, er sei in Baltimore gewesen – eine Kabinettssitzung einberufen und anschließend eine Pressekonferenz. Er habe die Zeit der Genesung dazu genutzt, sich über allerlei Dinge informieren zu lassen und in Ruhe darüber nachzudenken, so die Erklärung. Was den Lifehook anbelangte, sei er zu der Auffassung gelangt, dass er mehr sei als ein Spielzeug für Teenager. Vielmehr hätte man es hier mit einem bedeutenden gesellschaftlichen Durchbruch zu tun, einer Art sozialen Technologie, der die Zukunft gehöre.
    Seine Regierung, hatte er weiter angekündigt, werde den Lifehook zur zentralen Strategie machen. Er verspreche sich davon eine effizientere Wirtschaft und Verwaltung. Er habe bereits mit John Salzman vereinbart, dass man sich massiv an der Weiterentwicklung des Chips und der damit verbundenen Technologie beteiligen würde. Demnächst sollten große Forschungsaufträge an Universitäten und Industrie vergeben werden.
    Der Präsident kündigte ferner an, den Lifehook auch auf dem anstehenden G20-Gipfel zum Thema zu machen. Es handle sich um eine Technologie, die wesentlich zum Weltfrieden beitragen könne. Deswegen werde man diplomatisch Druck auf Länder wie Norwegen, Saudi-Arabien, Venezuela und andere ausüben, die den Lifehook bislang nicht zugelassen oder explizit verboten hatten.
    Es gebe, hieß es am Schluss des Artikels, noch keine Stellungnahmen aus Russland oder China hierzu. Doch da sich der Lifehook in diesen Ländern ebenfalls rasant verbreitete, sähe man die Lage dort vermutlich ähnlich. Bislang seien laut Angaben des Konzerns weltweit zwanzig Millionen Lifehooks implantiert worden. Es existierten mittlerweile dreißigtausend Lifehook-Center; überall nehme die Zahl der Implantationen pro Tag zu. »Nächstes Jahr um diese Zeit«, wurde John Salzman zitiert, »kann jeder Mensch auf Erden über einen Lifehook verfügen. Die Kapazität dazu steht bereit.«
    Christopher legte die Zeitung beiseite, sah sich blinzelnd um. Seine Augen schmerzten, sein Gehirn fühlte sich an wie ausgebrannt. Es roch nach Guys kaltem Kaffee und nach dem Rauch seines Zigarillos. Die Sonne schien zur offenen Tür herein, warmes, helles Licht.
    Er blickte zu Serenity hoch, die so blass war, dass ihre Sommersprossen aussahen, als schwämmen sie in Milch.
    »Was heißt das?«, fragte sie tonlos. »Dass man den Chip demnächst zwangsweise verpasst kriegt, oder?«
    Christopher nickte. Sein Körper fühlte sich eingerostet an. »Das wird die nächste Phase sein. Erst Verführung. Dann Druck. Und zum Schluss Zwang.«
    Es war ihm selber nicht klar gewesen, dass es so laufen würde. Dabei war es nur logisch. Nun würde unter allerlei Vorwänden Druck ausgeübt werden. Bis irgendwann die Kohärenz endgültig aus ihrer Deckung kam und sich offenbarte als das, was sie war. Dann begann die Phase des Zwangs.
    Noch wagte sie es nicht, sich zu zeigen. Nur deshalb spielte sie dieses Theater mit Pressekonferenz und politischem Geplänkel: weil sie es noch

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