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Kohärenz 03 - Time*Out

Titel: Kohärenz 03 - Time*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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durchhalten und hoffen. Obwohl er nicht mehr wusste, was es noch zu hoffen gab.
    Und dann schrie Serenity eines Tages derart auf, dass Guy und er sofort aufsprangen und zu ihr nach vorn stürzten.
    »Da!«, rief sie und wies auf das Radio. »Hört euch das an!«
    Christopher hielt den Atem an, Guy auch. Ein Lied kam. Ein einfaches Lied, mit einer schönen Melodie. Wobei ihm die Stimme der Sängerin vage bekannt vorkam ...
    »Das ist Madonna!«, stieß Christopher verblüfft hervor. »Madonna Two Eagles!«
    Serenity nickte heftig. »Ja. Sie hat ein neues Lied rausgebracht Aber hört euch an, was sie singt!«
    Christopher ignorierte die Texte von Popsongs für gewöhnlich; er hatte Mühe zu verstehen, was Madonna sang.
    We've got their call,
    we've got them all
    and everything' s all right...
    Das war der Refrain.
    »Meinst du, das ist eine Botschaft für uns?«, fragte Serenity mit leuchtenden Augen. »Dass sie das Lied geschrieben und schnell rausgebracht hat, um uns wissen zu lassen, dass dein Fluchtplan geglückt ist? Dass mit Mom und den anderen alles in Ordnung ist?«
    Christopher verschlug es den Atem. Er lauschte weiter. Der Text musste jedem normalen Zuhörer ausgesprochen seltsam vorkommen, aber wenn man ihn so verstand wie Serenity, dann erzählte er tatsächlich von einer Flucht aus Hide-Out, die glücklich ausgegangen war. Ohne eines dieser Worte zu gebrauchen.
    »Bestimmt ist es so«, flüsterte Serenity, als der letzte Ton verklungen war. »Sie hat es für uns geschrieben. Damit wir uns keine Sorgen mehr machen.«

72

    Madonnas Lied stimmte Christopher irgendwie zuversichtlicher. Seltsam, aber es war so. Vielleicht, weil es ihn an die Zeit denken ließ, in der er mit ihrem Bruder zusammen unterwegs gewesen war. Vielleicht auch einfach, weil es bedeutete, dass endlich einmal etwas geklappt hatte. Dass die Kohärenz nicht unfehlbar war und ihre Kontrolle über die Welt nicht total. Noch nicht jedenfalls.
    Doch, ja, er war gut drauf, als sie wieder an die Computer zurückkehrten. So gut, dass ihm eine Idee kam, die ihm schon längst hätte einfallen sollen.
    »Lass uns die Suchroutinen mit einem neuronalen Netz koppeln«, schlug er Guy vor. »Und gleich mit der Suche anfangen. Wenn wir bei jeder gemeldeten Fundstelle rückmelden, ob es tatsächlich ein Treffer ist oder nicht, dann kalibriert sich das Programm im Lauf der Zeit selber und wird immer treffsicherer.«
    Guy warf die Hände in die Höhe. »Großartige Idee! Und so ein neuronales Netz, das programmierst du natürlich mal eben schnell?«
    »Das ist auch nur ein Programm«, sagte Christopher.
    »Ja, klar.« Guys Blick wurde glasig. Er tastete nach seinen Zigarillos. »Unix ist letzten Endes auch nur ein Programm. Mann! Ich geh jetzt eine rauchen. Und du kannst machen, was du willst.«
    Er polterte die Treppe hinab, schimpfte draußen auf Italienisch vor sich hin. Serenity glitt neben Christopher auf die Sitzbank und fragte: »Was ist das, ein neuronales Netz?«
    Christopher betrachtete seine Hände, die reglos auf der Tastatur lagen. Vor seinem inneren Auge entstanden schon Datenstrukturen und Programmroutinen.
    »So nennt man Programme, die die Funktionsweise von Neuronen nachahmen, von Gehirnzellen. Ein Gehirn funktioniert nicht wie ein Computer. In einem Computer gibt es einen zentralen Prozessor, der alle Programme ausführt. In einem Gehirn sind Nervenzellen mit anderen Nervenzellen verbunden, regen einander an oder dämpfen sich gegenseitig ... Das kann man mit Software simulieren. Man benutzt solche neuronalen Netze, wenn man ein Programm braucht, das von selber dazulernt.« Er grinste flüchtig. »Wenn es klappt, hat man am Ende ein Programm, das etwas kann, ohne dass man weiß, wie es das eigentlich macht.«
    Er sah sie an. Serenity musterte ihn forschend, mit einem rätselhaften Schimmer in ihren Augen. »Okay«, sagte sie schließlich. »Mach das.«
    Dann stieg sie aus, um Guy Gesellschaft zu leisten, wie sie es in letzter Zeit immer häufiger tat.
    Christopher brauchte fast die ganze Nacht. Serenity stellte ihm und Guy als Abendessen einen Teller mit Sandwiches hin und ging bald darauf zu Bett. Um Mitternacht gab Guy auf, nur Christopher blieb sitzen und machte weiter. So auf Touren, wie er war, hätte er ohnehin nicht schlafen können.
    Es war notwendig, sich all die Bücher ins Gedächtnis zu rufen, die er zu diesem Thema gelesen hatte. Diese Bücher in Gedanken wieder zur Hand zu nehmen, sie durchzublättern und die Überlegungen

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