Kohärenz 03 - Time*Out
die Augenbrauen. »Meine Komparsenrollen. Ich tauche in einem guten Dutzend Filmen auf.«
»Was könntest du da gesehen haben?«
»Die übliche Antwort: keine Ahnung.«
»Hmm.« Christopher dachte kurz nach, dann machte er eine wegwerfende Handbewegung. »Konzentrieren wir uns erst auf Überwachungskameras. Wenn es eine Überwachungskamera war, die dich gesehen hat, dann ist es gut möglich, dass auch du die Kamera gesehen hast. Dass diese Kamera auch auf deiner Aufnahme ist. Also brauchen wir ein Programm, das deine Videos nach Überwachungskameras durchsucht.«
»So ein Programm gibt es nicht«, sagte Guy.
»Dann müssen wir eins schreiben.«
Serenity schaute Christopher überrascht an. Wie er auf einmal vor Energie sprühte! Ein konkretes Ziel zu haben, schien ihn regelrecht zu beleben.
Guy angelte den Wagenschlüssel aus der Tasche. »Ist dir klar, was du dir da vornimmst?«, brummte er, während er aufschloss. »Eine Überwachungskamera! Was ist das schon? Ein rechteckiger Kasten mit einem Objektiv. Wie willst du das auf einem Foto identifizieren? Man tut sich ja selbst als Mensch schwer, die Dinger zu entdecken.«
»Mag sein«, sagte Christopher. »Aber wir haben keine andere Wahl.«
»Für die Entwicklung einer solchen Software würde man in der Industrie zehn Mannjahre einkalkulieren. Wenigstens.«
»Wir geben uns zwei Wochen.«
Und so begann es. Christopher und Guy klappten ihre Computer auf, fingen an zu diskutieren und dreißig Sekunden später hatte Serenity keine Ahnung mehr, wovon sie sprachen.
Eine Weile saß sie noch dabei, sah fasziniert zu, wie Christopher auf die Tastatur einhackte und in Windeseile Programmcodes erzeugte. Zumindest vermutete sie, dass das, was er da schrieb, ein Programm war. Aber irgendwann wurde es langweilig. Sie würde sich damit abfinden müssen, dass sie von jetzt an nichts mehr zu diesem Unternehmen beitragen konnte.
Abgesehen von den Dingen, die irgendwie immer an den Frauen hängen blieben. Essen kochen. Aufräumen. All das. Es ärgerte sie, aber sie beschloss, es zu akzeptieren.
Guy förderte einen Drucker und Papier zutage. Die beiden druckten Programme aus, behängten die Schranktüren und bald auch das Fenster damit. Dann standen sie stundenlang davor, kritzelten darin herum und gebrauchten Worte wie Vektor und Transformation, long pointer und Saturation-Wert.
Es war fast gruselig, den beiden zuzusehen. Die Welt ringsherum war vergessen. Wobei ... Guy gab immerhin noch Laute von sich. Er ächzte, stöhnte, fluchte, rutschte hin und her oder kratzte sich am Kopf, während er überlegte. Er schwitzte. Er wirkte mal müde, mal angespannt.
Nicht so Christopher. Es war, als sei er eins mit dem Computer und dem Problem geworden. Seine Augen bewegten sich und seine Finger, abgesehen davon machte er keine unnötige Bewegung. Seine Konzentration zu beobachten, verursachte Serenity eine Gänsehaut. Ein Erdbeben hätte die gesamte Umgebung dem Erdboden gleichmachen können: Christopher hätte weiterprogrammiert.
Als der Abend nahte, kochte sie, weil sie den Verdacht hatte, dass die beiden sich ansonsten nur von Sandwiches und Cola ernähren würden.
Sie musste auch allein zu Bett gehen. Eine Weile lag sie noch wach, hörte dem Klappern der Tastaturen zu und wie Guy fluchte und Dinge sagte wie »Che palle! Was macht es denn jetzt?«.
Worauf Christopher nach ein paar Sekunden meinte: »Falscher Zählwert. Hier. Du musst bei null beginnen.« Irgendwann schlief sie dann ein. Alleine.
In dieser Nacht wachte sie davon auf, dass Christopher zu ihr geschlüpft kam und einen Arm um sie legte, einen Arm, der zu beben und zu vibrieren schien.
»Und?«, murmelte sie schlaftrunken und tastete nach seiner Hand. »Findet euer Programm was?«
»Das ist nicht das Problem«, ächzte Christopher. »Das Problem ist, dass es Überwachungskameras findet, wo keine sind.«
Am nächsten Morgen zeigte ihr Guy, was Christopher gemeint hatte: Das Programm hielt Sonnenbrillen, ausgeschaltete Glühlampen, selbst den Buchstaben 0 in Zeitungsschlagzeilen für Objektive, meinte, Kameras in Ziegelwänden, Zigarettenschachteln oder Klimaanlagen zu erkennen.
Christopher sagte nichts dazu. Er starrte auf seinen Bildschirm, als wolle er mit bloßen Blicken Löcher hineinbrennen, und war nicht ansprechbar.
Am nächsten Tag ging es genauso weiter, und am übernächsten auch. Serenity übernahm die Einkäufe, weil Guy und Christopher das ebenfalls vergaßen. Sie würden eher hungern, als ihre
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