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Kohärenz 03 - Time*Out

Titel: Kohärenz 03 - Time*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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»Christopher«, sagte sie leise, »damit eins klar ist: Dass ich mit dir geschlafen habe, heißt nicht, dass ich dein Besitz geworden bin. Ich bin ein freier Mensch, der dir seine Liebe geschenkt hat. Und das bleibt so. Also trample jetzt nicht darauf herum wie ein Idiot.«
    Als er nichts erwiderte, nichts sagen konnte, wandte sie sich ab und ging wieder hinaus.
    Christopher blieb reglos sitzen, plötzlich in Schweiß gebadet. Seine Gedanken waren ein einziges Chaos. Was hieß das jetzt? Was meinte sie mit Ich bin ein freier Mensch? Das konnte man so und so verstehen. War das eine Vorwarnung, dass sie Schluss machen wollte?
    Und wieso Besitz? Er hatte mit keinem Wort gesagt, dass er sie als Besitz betrachtete! Hatte er denn kein Recht auf seine Ängste? Ängste waren doch auch Gefühle. Und hieß es nicht immer, man solle seine Gefühle zulassen, sich ihnen stellen, bla, bla, bla?
    Nein, er verstand das alles nicht. Verstand es so wenig wie dieses Stück Programmcode. Nein, noch weniger.
    Er legte die Hände auf die Tastatur, richtete den Blick auf den Bildschirm. Computer waren immer seine Rettung gewesen, wenn er im Leben nicht mehr weitergewusst hatte. Seine Zuflucht. Sein sicherer Hafen. Nun funktionierte nicht einmal mehr das. Er hatte das Gefühl, sich aufzulösen. Sich zu verlieren.
    Er hätte nicht sagen können, wie lange er so dagesessen hatte, als das Gespräch draußen lauter wurde, sich auf einmal fremde Stimmen hineinmischten. Wieder sprang er auf und spähte durch den Vorhang hinter der Spüle.
    Es war das alte Ehepaar, das gerade von einem Spaziergang zurückkehrte. Sie unterhielten sich mit Guy auf Französisch, und der Mann erklärte Serenity in stark akzentbehaftetem Englisch, dass sie morgen weiterreisen würden.
    »Ich glaube, ich geh auch noch mal los«, meinte Guy zu Serenity, als die beiden Franzosen zu ihrem Wohnwagen weitergingen. »Heute ist der vorletzte Drehtag. Das muss man ausnutzen.« Er sah sie auffordernd an. »Lust auf einen Spaziergang ins Dorf, schöne Frau?«
    Und Serenity erwiderte nach kurzem Überlegen: »Ja.«
    Und lächelte.
    Christopher taumelte beinahe zurück auf seinen Sitz. Peng, da war es wieder, wie eine Leuchtreklame, hundert auf hundert Meter groß: das Bild aus seinem Traum. Serenity, wie sie den PentaByte-Man umarmte. Stöhnte. Die Finger in seinen nackten Rücken krallte.
    Anstatt allmählich zu verblassen wie normale Träume wurde dieses verdammte Bild immer detaillierter, immer ausgefeilter. Dabei war es völliger Quatsch, sagte er sich. Seine Ängste waren unsinnig. Serenity würde doch jetzt nicht mit Guy mitgehen, um irgendwo hinter einem Busch mit ihm zu schlafen. So war sie nicht. Das würde sie nicht tun.
    Es half bloß nichts, sich das zu sagen. Ein anderer Teil seines Geistes war fieberhaft damit beschäftigt, diese Szene auszumalen, sie so realistisch werden zu lassen, dass sie von einer wirklichen Erinnerung kaum noch zu unterscheiden war.
    Die Programmroutine. Wenn er sich nur hätte konzentrieren können!
    Serenity kam die Stufen heraufgeeilt. Beschwingten Schrittes. Voller Vorfreude?, wisperte die fiebrige Stimme in ihm.
    »Ich gehe ins Dorf, einkaufen«, verkündete sie und griff nach der dunkelroten Stofftasche, die sie dafür immer verwendete.
    »Okay«, sagte Christopher mit einem tauben Gefühl im Leib, im Herzen.
    Dann streckte auch Guy den Kopf herein. »Ich schau mal, was sie am Strand so drehen«, erklärte er munter. »Letzte Chance, weißt du? Falls der Drehplan noch stimmt.«
    »Okay«, sagte Christopher ein weiteres Mal.
    »Du kommst klar?«
    Kam er klar? Er nickte, bekam kein Wort mehr heraus. Durch die offen stehende Tür sah er den beiden nach, wie sie auf den Pfad zugingen, der ins Dorf führte, sah ihnen nach, bis sie außer Sicht waren.
    Dann blickte er auf seine Hände hinab.
    Sie zitterten.

76

    Während sie dem Trampelpfad Richtung Dorf folgten, musste Serenity an Christopher denken. Sie hatte eigentlich gedacht, daran gewöhnt zu sein, dass Christopher bisweilen total in sich versank und nichts mehr um sich herum wahrnahm. Heute aber war er selbst für seine Verhältnisse seltsam drauf.
    Na ja. Das würde sich bestimmt wieder geben. Vielleicht kam ihm ja, bis sie zurück waren, der zündende Einfall.
    Es war schwül. Erstaunlich nach dem nebligen Dunst, der am Morgen über der Landschaft gelegen hatte; eine Zeit lang hatte es eher nach Regen ausgesehen. Aber nun, zwischen dem Dornengestrüpp rechts und links des Weges, das

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