Kohärenz 03 - Time*Out
Flusspromenade nähern, was den Vorteil hätte, dass man uns vom Gebäude aus nicht sehen könnte. Nachts wird da auch nicht so viel los sein, höchstens, dass wir einem Penner begegnen. Aber dann müssen wir eben da runtersteigen.«
»Und das ist ein Problem?«
»Ich hätte mich lieber darum gedrückt. Bloß habe ich einfach kein gutes Gefühl mehr bei dem anderen Plan.«
Serenity rieb sich den Oberarm. Was sollte sie dazu sagen? Erwartete er von ihr, dass sie die Sache jetzt mit weiblicher Intuition entschied? »Wie groß ist denn dieser Entwässerungskanal?«
»Zwei Meter hoch. Ein Spaziergang, wenn man mal drinnen ist.«
»Und er nicht voller Wasser ist.«
»Was jetzt im Sommer wenig wahrscheinlich ist. Gummistiefel werden wir natürlich brauchen.«
Serenity betrachtete den Plan. »Wir werden eine ganze Menge Sachen brauchen, oder? Wo kriegen wir die her?«
»Die besorge ich uns. Das ist das geringste Problem.«
Sie sah ihn an. »Was denkst du? Welche Route sollen wir nehmen?«
»Die durch den Kanal.« Guy grinste schief. »Ich hatte gehofft, du erhebst Einspruch. Zum Beispiel, weil du Platzangst hast und unter der Erde panisch reagierst oder so was.«
Serenity schüttelte den Kopf. »Ich hab wochenlang in einem Bergwerk gewohnt, ehe wir nach Frankreich aufgebrochen sind.«
»Also, dann soll es so sein.« Guy klappte den Laptop zu, hielt inne und sah sie prüfend an. »Ich werde ein paar Orte aufsuchen müssen, die nichts für junge Damen sind. Es wäre besser, du bleibst hier und hältst die Stellung.«
»Irgendwie hab ich mir gedacht, dass du das sagen würdest.«
»Gut.« Er lächelte. »Gut, wenn wir uns auch ohne Worte verstehen. Das kann heute Nacht wichtig werden.«
Er stand auf und begann, sich umzuziehen. Serenity verfolgte fasziniert, wie er sich vor ihren Augen mit Schminke, Haarfärbemittel und Plastikteilen, die er sich zwischen Wangen und Zähne schob, in einen komplett anderen Menschen verwandelte. Der größte Teil seiner wallenden Mähne verschwand unter einem Hut. Am Schluss hätte ihn seine eigene Mutter nicht mehr erkannt. So also hatte er es geschafft, in Rennes unbemerkt zu bleiben!
»Sicher ist sicher«, meinte er. »Bei all den Videokameras an jeder Straßenecke. Denn«, fügte er mit halb verschämtem, halb stolzem Grinsen hinzu, »es ist leider so, dass die Polizei Ihrer Majestät mir nur zu gerne ein paar peinliche Fragen stellen würde. Und zwar nicht per Mail, sondern in ihren eigenen Kellerräumen. Die ich mir eher unangenehm vorstelle als Aufenthaltsort.«
Damit ging er. Sie sah ihm nach, bis er in der Subway verschwunden war, dann legte sie sich wieder hin. Die Nacht würde lang werden, es konnte nicht schaden, ein wenig vorzuschlafen. Aber sie fand keinen Schlaf: Ihre Gedanken kreisten unablässig um Christopher und wie es ihm gehen mochte. Ob er überhaupt noch er selbst war.
Als sie es endlich aufgab, dämmerte es schon. Und Guy war immer noch nicht zurück. Kurz entschlossen schrieb sie ihm einen Zettel und verließ den Wohnwagen, um irgendwo ein paar Sandwiches zu besorgen.
Als sie zurückkam, war Guy wieder da. Und nicht nur das, er war schon dabei, ihre nächtliche Aktion vorzubereiten. Tisch und Sitzbänke lagen voller Dinge: Gummistiefel, schwarze Kleidung, Rucksäcke, Brechstangen, Seile, Haken, Werkzeug aller Art.
»Um Himmels willen«, meinte Serenity. »Wo hast du das ganze Zeug her?«
»Da gibt's Läden, die haben so viel davon, dass sie's verkaufen.«
Serenity trat an den Tisch. Neben dem Computer lagen zwei Pistolen, eine große und eine kleine. »Mir hat man immer erzählt, in Europa könne man Waffen nicht einfach so im Laden kaufen.«
»Kann man auch nicht«, sagte Guy amüsiert. »Aber einer der Vorteile meines Berufs ist, dass ich überall böse Buben kenne. Ein paar von denen haben mir geholfen.« Er nahm eine der Pistolen zur Hand, zog ihren Verschluss zurück und ließ ihn mit einem gefährlich klingenden, metallischen Geräusch wieder nach vorn schnappen.
Serenity beobachtete ihn unbehaglich. »Kannst du mit so einem Ding denn umgehen?«
»Ich bin Schweizer, meine Liebe. In der Schweiz ist jeder Mann gesetzlich verpflichtet, mit so einem Ding umgehen zu können.« Er steckte die Waffe hinter seinen Gürtel, reichte ihr einen schwarzen Kapuzenpulli. »Probier mal. Ich hoffe, der passt dir.«
Er passte wie angegossen. »Wie hast du das hingekriegt?«
»Da war eine Verkäuferin, die ungefähr deine Figur hatte. Die hab ich nach ihrer
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