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Kohärenz 03 - Time*Out

Titel: Kohärenz 03 - Time*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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der USA, dort musste es gerade 16:51 Uhr gewesen sein. Rechnete man noch eine gute Stunde dazu, bis sich all die Buchungen, Gegenbuchungen und Löschaktionen durch das System verbreitet hatten ... »Wie spät war es in dem Moment?«
    »Kurz nach sechs. Wie gesagt, Tim und ich waren allein in der Bank. Abgesehen von den Wachleuten natürlich.«
    Christopher konnte es kaum fassen. »Das haut hin. Das war meine Milliarde.«
    »Klar war sie das.« Jetzt grinste Clive übers ganze Gesicht.
    »Das heißt, Sie waren einer der Ersten, bei denen die Buchung angekommen ist!« Das hatte er damals extra so eingerichtet: Zu viele Buchungen der gleichen Art zur gleichen Zeit wären den Routinen aufgefallen, die Fehler abfangen sollten. Deswegen hatte er seinen Virus so programmiert, dass die Datenpakete mit zyklischer Verzögerung ausgelöst wurden.
    »Muss wohl so gewesen sein. Auf jeden Fall sitze ich da und in meinem Kopf ist nur ein Gedanke: Das war Mary. Sie hat aus dem Jenseits eingegriffen und ein Wunder bewirkt. Ich darf es jetzt nicht versauen. Also bleibe ich völlig cool und sage: ›Das ist eine Erbschaft. Kommt gerade rechtzeitig, was?‹ Und dann habe ich ihn gebeten, meine Schulden zu tilgen und mir zwanzig Millionen von dem Geld auszuzahlen. In bar.«
    Christopher lachte auf. »Ehrlich?«
    »Ja. Natürlich hat er sich gewunden. Wollte wissen, wer mir das Geld vererbt hätte und so, weil die Überweisung offenbar aus irgendwelchen dunklen Kanälen gekommen war .
    Christopher nickte. Dunkle Kanäle, das konnte man wohl sagen. Er hatte Schwachstellen im System ausgenutzt, von denen die Fachleute in den Rechenzentren der Banken später gesagt hatten, sie seien ihnen unbekannt gewesen. Dabei hätten sie nur einmal ihre eigenen Handbücher genau durchlesen müssen. Nichts anderes hatte er nämlich getan. Die Dinger hatten eingestaubt im Keller gestanden, weil sein Vater in der IT-Abteilung der Bank gearbeitet hatte. Und so viel Text war das nicht gewesen, ein paar Ordner voll. Fünftausend Seiten oder so. Durchlesen und gründlich drüber nachdenken: Mehr hatte er nicht gemacht.
    »Und dann?«, fragte Christopher gespannt.
    »Er wollte mich auf den nächsten Tag vertrösten. Es sähe jetzt ja alles gut aus, also hätte es keine Eile, und so spät am Abend könne er ohnehin nichts machen ... ›Hören Sie‹, sagte ich, ›wenn das Geld nicht rechtzeitig aufgetaucht wäre, hätten Sie heute Abend noch eine Menge mit mir gemacht, oder? Sie können sich's aussuchen. Wenn ich morgen wiederkommen muss, geh ich mit meinem Vermögen zu einer anderen Bank, so einfach ist das.« Na, das wollte er natürlich nicht. Einen Milliardär gehen lassen? Sein Chef hätte ihm den Kopf abgerissen. Also ist er los, hat mir alle Urkunden und Hypothekenbriefe und was er sonst so von mir hatte, zurückgegeben. Er hat meine Schulden getilgt und bereinigt – das war schließlich laut Brief der Zweck des Treffens gewesen.« Clive grinste. »Und dann ist er tatsächlich in den Tresorraum und hat Bargeld geholt. Es war ihm schrecklich unangenehm, dass er mir nur elfeinhalb Millionen geben konnte; mehr sei nicht da. ›Okay‹, sage ich, ›das reicht fürs Erste.‹ Und zehn Minuten später spaziere ich mit einem Koffer voller Dollarnoten aus der Bank.«
    »Wahnsinn«, stieß Christopher hervor.
    Clive gluckste belustigt. »Völliger Wahnsinn. Ich bin nach Hause, hab in Windeseile das Auto vollgepackt und bin abgedüst, so schnell es ging. Mir war sonnenklar, dass ein Fehler passiert sein musste. Weder in meiner noch in Marys Familie gab es irgendwelche reichen Leute, ganz zu schweigen von einem Milliardär. Die Bank würde das Geld zurückverlangen und die Tilgung der Schulden für ungültig erklären, sobald sie den Fehler bemerkte. Und dann wollte ich nicht mehr da sein. Das Haus sollten sie meinetwegen kriegen, aber die elf-einhalb Millionen, die nicht.« Wehmut lag in seinem Blick. »Ich dachte in dem Moment immer noch, das sei ein Geschenk von Mary. Ich wusste ja nicht, was wirklich dahintersteckte.«
    Christopher nickte. Es war eigentümlich, diese Geschichte zu hören. Er selber erinnerte sich nur zu gut daran, wie er an jenem Abend in die Bank geschlichen war, in das Büro seiner Mutter. Er hatte ihren Computer gebraucht, um den Virus in das Banksystem einzuschleusen. Bis auf den Monitor und die Schreibtischlampe war es dunkel im Raum gewesen, und er hatte eine grandiose Aussicht auf die Skyline von Frankfurt gehabt. Und dann die

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