Kohärenz 03 - Time*Out
lachten. Dann begann der Sportteil der Nachrichten. Dad drehte den Ton ab.
»Chuck Brakeman.« Er sah in die Runde. »Als wir Ende April in San Francisco waren, haben wir diesen Namen schon einmal gehört. Es war an dem Abend, an dem wir zum ersten Mal gegen die Kohärenz aktiv geworden sind. Damals hieß es, Brakeman sei ein Berater des Präsidenten, der eine Woche lang unter ominösen Umständen verschwunden gewesen und wieder aufgetaucht war. Eine persönliche Krise, hat er behauptet.«
»Er könnte genauso gut in der Zeit von der Kohärenz übernommen worden sein«, warf Russell ein.
»Richtig«, sagte Dad. »Und jetzt ist er Stabschef. Stabschef im Weißen Haus! Das ist derjenige, der kontrolliert, wer Zugang zum Präsidenten bekommt und wer nicht. Er bestimmt den Terminkalender des Präsidenten. Stabschef, das klingt harmlos – aber tatsächlich ist es eine enorm einflussreiche Position. Und ausgerechnet unter der Regie dieses Mannes soll der Präsident nun eine Woche lang isoliert werden. Zufällig exakt so lange, wie die Kohärenz braucht, um einen Menschen, dem sie den Upgrader-Chip eingepflanzt hat, in ihren Takt zu zwingen.« Er schaute sich um, suchte Christopher und fragte: »Das sieht doch so aus, als ob die Kohärenz beabsichtigt, den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika aufzunehmen, oder?«
Christopher nickte und sagte einfach nur: »Ja.«
Serenity spürte, wie ihr ein Schauer über den Rücken lief. Der Präsident. Der Mann, der die Atombomben kontrollierte.
Dad begann, auf und ab zu wandern. »Ich verstehe«, sagte er. »Ja, das ergibt Sinn. Da zeichnet sich eine atemberaubende Strategie ab. Angenommen, die Kohärenz bringt jetzt den Präsidenten und damit die amerikanische Regierung unter ihre vollständige Kontrolle – was ist dann der nächste logische Schritt? Im September richten die USA den G20-Gipfel aus, den größten, der je veranstaltet worden ist. Die Regierungschefs der zwanzig wichtigsten Nationen der Welt werden sich mit ihren Stäben in ein von der Außenwelt abgeriegeltes Tagungszentrum in den Bergen Virginias zurückziehen – und zwar fünf Tage lang! Zeit und Gelegenheit für die Kohärenz, auch diese Regierungen in ihre Gewalt zu bekommen.« Er blieb stehen. »Da haben wir es. Das ist der endgültige Griff der Kohärenz nach der Macht auf Erden.«
Die Stille im Speisesaal war förmlich greifbar. Ein kollektives Atemanhalten. Und dann richteten sich aus irgendeinem Grund alle Blicke auf Christopher.
Der schüttelte den Kopf. »Nein. Ich meine, es stimmt sicher, dass die Kohärenz die Regierungschefs übernehmen will, aber letzten Endes ist das belanglos. Die eigentliche Machtübernahme ist bereits die Aktion mit dem Lifehook.«
»Ich glaube«, sagte Dad scharf, »da schätzt du die Bedeutung des Präsidentenamtes falsch ein.« Er wandte sich ab, rieb sich die Stirn. »Ein Staatsstreich steht bevor. Die Kohärenz greift nach dem Gehirn des mächtigsten Mannes der Welt. Dagegen, Freunde, müssen wir etwas unternehmen. Mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen.«
»Das ist sinnlos«, wandte Christopher ein. »Wie wollen wir –«
Serenity zuckte zusammen, als sie sah, wie ihr Vater daraufhin herumfuhr und Christopher anherrschte: »Es ist vor allem sinnlos, immer nur zu behaupten, alles sei sinnlos! Ich will das nicht mehr hören. Ich will nicht mehr hören, dass wir keine Chance haben und dass die Kohärenz sowieso siegen wird. Das hilft uns nicht, verstehst du?«
Eine Stille wie nach einer Explosion. Was Dads Reaktion im Grunde auch gewesen war.
Christopher sagte nichts mehr. Er hob nur die Schultern, sank in sich zusammen und bekam wieder diesen ausdruckslosen Gesichtsausdruck.
Serenity sah ihren Vater fassungslos an. Zum ersten Mal im Leben war er ihr richtiggehend unsympathisch.
36
Noch am selben Abend brach Hektik aus. Jeremiah Jones hatte beschlossen, zusammen mit ein paar Begleitern aufzubrechen, um »etwas zu tun«, und kurz darauf hallten die Gänge wider von hastigen Schritten, drängenden Rufen und schnellen Wortwechseln. Man schaffte Gepäck hinab in die Halle, diskutierte Benzinvorräte, und über allem lag spürbare Eile, weil Jones es noch in der gerade angebrochenen blinden Zeit schaffen wollte aufzubrechen.
Was er konkret vorhatte, sagte er nicht oder jedenfalls nicht so, dass Christopher es mitbekam. Nur, dass er versuchen würde, den Präsidenten zu warnen.
Na dann. Viel Glück dabei.
Christopher hielt sich im Hintergrund,
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