Kohärenz 03 - Time*Out
vertrauten Dad kommt nach Hause-Geräusche: Schnapp – die Haustür wurde aufgeschlossen. Klick – das Telefon kam in die Ladestation. Raschel – Dad zog sein Jackett aus und hängte es auf den dafür reservierten, gepolsterten Bügel. Und schließlich Klingel-Klong – die Autoschlüssel fielen in eine kupferne Schale; ein Geräusch, das Brad kannte, seit er denken konnte.
Ein Platz für jedes Ding und jedes Ding an seinen Platz – das war einer der zahlreichen Wahlsprüche seines Vaters. Speziell über diesen hatte er Brad im Laufe der Jahre nicht gerade wenige Vorträge gehalten.
»Du bist schon wieder abends zu Hause?«, wunderte sich Vater, als er das Esszimmer betrat und Brad erblickte. »Ist deine neue Freundin denn immer noch nicht zurück?«
Brad ertrug den Spott gelassen. »Sie kommt morgen.«
»Ist sie eigentlich sehr hässlich?« Seine Mutter lachte wie ein junges Mädchen. »Oder warum verheimlichst du sie vor uns?«
»Mum!«
»Schon gut, schon gut.« Seine Mutter hob die Hände. »Hätte ja sein können, dass es diesmal etwas Ernstes ist!«
War es das? Brad dachte nach. Normalerweise vermied er es, Mädchen mit nach Hause zu bringen, aber in Tiffanys Fall gefiel ihm die Idee sogar. Er würde sie fragen, sobald sie zurück war.
Seine Eltern verfolgten das Thema nicht weiter. Beim Essen erzählte Vater von den Verhandlungen, wie üblich, ohne konkrete Namen zu nennen. »Die schleichen umeinander herum, es ist nicht auszuhalten. Jetzt haben wir einen Termin für nächsten Dienstag festgezurrt, bis zu dem Gebote abgegeben und die Verschwiegenheitsabkommen unterzeichnet sein müssen. Anschließend kriegen sie Einblick in die Pläne und es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn wir dann nicht zu einem Deal kommen.«
»Na hoffentlich«, meinte Brads Mutter. »Ein paar ruhige Wochen täten dir gut.«
Danach ging es um Bürotratsch. Der Partner seines Vaters litt an Arthritis, die immer schlimmer wurde. Die neue Praktikantin hatten sie wieder entlassen müssen, weil sie sich als zu unzuverlässig erwiesen hatte.
Gelegenheit für Vater, einen seiner Lieblingssprüche anzubringen: »Es kann nicht jeder begabt sein, es kann nicht jeder intelligent sein – aber zuverlässig sein, das kann jeder. Alles, was dazu nötig ist, ist der Entschluss, zu halten, was man verspricht. Mit anderen Worten: Man muss es nur wollen.« Er sah Brad scharfen Blicks an. »Das ist es nämlich, was einen Menschen formt: Was er will.«
Brad nahm die Belehrung gleichmütig hin. Im Augenblick wollte er gar nichts, folgte dem Gespräch nur in eigentümlich passiver Stimmung.
Mutter erzählte von ihrem Verein für Leseförderung. Die Leiterin der Bücherei von Live Oaks war verschwunden und niemand wusste, warum und wohin. Ach ja, und der Golfklub hatte geschrieben, dass der Jahresbeitrag erhöht werden müsse.
»So ein Unsinn«, knurrte Vater. »Die können nicht wirtschaften, das ist das Problem.«
Brad verspürte auf einmal den Impuls, hinauszugehen, einen Spaziergang durch die Nacht zu machen. Ja, darauf hatte er richtig Lust!
Er legte die Serviette beiseite und stand auf. »Ich geh noch ein paar Schritte raus«, sagte er.
»Du gehst spazieren?«, wunderte sich seine Mutter. »Seit wann?«
»Und um die Zeit?«, ergänzte sein Vater.
»Ich will nur ein bisschen frische Luft schnappen«, meinte Brad friedlich.
Als er sich draußen im Flur die Schuhe anzog, hörte er seine Mutter, wie sie Vater zuraunte: »Er wird mit seiner Freundin telefonieren wollen.«
»Das kann er doch auch von seinem Zimmer aus«, erwiderte Vater etwas weniger leise.
»Ach, Bill! Unter einem klaren Sternenhimmel ist das viel romantischer.«
Brad befühlte seine Tasche. Er trug sein Telefon nach wie vor bei sich, obwohl er es kaum noch benutzte. Er band seine Schnürsenkel vollends zu, stand auf und griff im Aufstehen in die vordere rechte Tasche des Jacketts, wo Vater seine Büroschlüssel verwahrte.
Ein Platz für jedes Ding...
Brad hätte nicht sagen können, warum er diese Schlüssel an sich nahm. Es geschah aus einem Impuls heraus, er dachte nicht weiter darüber nach.
»Bis später!«, rief er noch, dann verließ er das Haus. Kühle Luft umfing ihn. Sie tat gut nach dem heißen Tag. Er spazierte die Straße entlang, die völlig still dalag. Es war eine Sackgasse; hier fuhr nur, wer hier auch wohnte.
Als er die Durchfahrtstraße erreichte, glitt ein Auto heran, ein weißer Chrysler. Er kam neben Brad zum Stehen. Die
Weitere Kostenlose Bücher