Kohärenz 03 - Time*Out
willst du das denn machen?«
Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das ist das geringste Problem.«
Serenitys Gedanken rasten. Einfach abhauen? Er konnte doch nicht einfach abhauen! Dann – mit Verspätung – fiel ihr wieder ein, was er außerdem noch gesagt hat. »Ich? Ich soll mit? Ist das dein Ernst?«
»Ja.«
»Aber wozu denn?« Sie hätte ihn schütteln können, dass er sich jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen ließ. »Wie soll ich dir dabei helfen können?«
»Es geht nicht darum, dass du mir hilfst, sondern darum, dass du in Sicherheit bist.«
»Das bin ich doch.«
Christopher sah sie ernst an. »Serenity – was dein Vater plant, wird schiefgehen. Alle Gedanken, die er sich gemacht hat, hat sich die Kohärenz längst auch schon gemacht und Gegenmaßnahmen getroffen, garantiert. Und wenn er oder jemand anders festgenommen wird, ist Hide-Out nicht mehr sicher.«
»Und da willst du weggehen und die anderen ihrem Schicksal überlassen?«, fragte Serenity fassungslos.
Christopher schüttelte den Kopf. »Ich gehe, weil ich herausfinden will ... herausfinden muss, was die Kohärenz fürchtet«, sagte er. »Und ich muss es jetzt tun. Jeder Tag, der verstreicht, könnte ein Tag zu viel sein.«
Serenity hatte auf einmal das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. »Aber meine Eltern ... Kyle ... all die Leute hier ... Du kannst doch nicht fortgehen in dem Wissen, dass sie im schlimmsten Fall – «
»Für den schlimmsten Fall habe ich ein paar Vorkehrungen getroffen.« Er sagte das auf eine Weise, die deutlich signalisierte, dass er darüber jetzt nicht mehr verraten würde als das. »Aber ich habe versprochen, dich vor der Kohärenz zu beschützen, so gut ich kann. Deswegen bitte ich dich, mit mir zu kommen.«
Serenity hatte das Gefühl, ein Dutzend Stimmen in ihrem Kopf durcheinanderschreien zu hören. Tu es nicht, sagten die vernünftigen Stimmen, sagte die Logik, sagte der gesunde Menschenverstand. In der Gruppe bist du sicherer, als wenn du mit einem siebzehnjährigen Nerd durch die Welt ziehst.
Er sah sie immer noch abwartend an, wartete darauf, dass sie eine Entscheidung traf.
Und da war unter all den Stimmen eine, die längst wusste, dass sie mitgehen würde. Dass es gar nichts zu entscheiden gab, weil die Entscheidung längst gefallen war.
»Wann willst du los?«, fragte sie mit trockenem Mund.
»Heute, eine Stunde nach Mitternacht.«
Sie spürte ein Zittern in ihrem Brustkorb, ganz oben am Hals. »Das kommt ein bisschen plötzlich.«
»Das hat eine Flucht manchmal so an sich.«
»Kann ich mich noch verabschieden?«
»Nein.« Er schüttelte kategorisch den Kopf. »Kein Wort, zu niemandem. Du kannst einen Brief schreiben und in deinem Zimmer liegen lassen. Mehr nicht.«
Es war schrecklich, ein schrecklicher Augenblick. Sie hatte das Gefühl, alle zu verraten, ihren Vater vor allem, und das war besonders bitter, weil sie ihn ja schon einmal verraten hatte, damals, als Kind, als ihre Eltern sich getrennt hatten und sie beschlossen hatte, zu ihrer Mutter zu halten und ihrem Vater alle Schuld zu geben. Nun ließ sie auch ihre Mutter im Stich. Und Kyle. Verließ die Menschen, mit denen sie hier gelebt, mit denen sie begonnen hatte, sich anzufreunden ...
Aber sie konnte Christopher unmöglich fortgehen lassen und selber dableiben. Sie würde sich das zeit ihres Lebens nicht verzeihen.
In einer blitzartigen Erleuchtung wurde ihr klar, dass, wenn ihr jemand angeboten hätte, die Zeit zurückzudrehen, alles, was geschehen war, ungeschehen zu machen, und ihr ihr altes Leben zurückzugeben – dass sie es nicht mehr gewollt hätte.
Nicht mal, wenn man ihr obendrein Brad Wheeler als Boyfriend geschenkt hätte.
Sie furchte ärgerlich die Stirn. Brad Wheeler? Wieso kam ihr der eigentlich immer wieder in den Sinn?
»Okay«, sagte sie. »Eine Stunde nach Mitternacht.«
»Du kommst also mit?«, vergewisserte sich Christopher.
»Ja«, sagte Serenity. Wo du hingehst, da will auch ich hingehen. Noch so ein alter Spruch.
49
Wie immer, wenn Brads Vater so im Stress war, dass er sogar den Sonntag durcharbeitete, wurde es spät mit dem Abendessen. Gerade liefen irgendwelche superwichtigen Verhandlungen, an denen mehrere große IT-Firmen beteiligt waren. Es ging um Milliarden – und um entsprechende Provisionen, sobald die Kanzlei seines Vaters alles unter Dach und Fach brachte.
Endlich, es war schon dunkel, hörte man den Jaguar in die Einfahrt einbiegen, gleich darauf vernahmen sie die
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