Kohl des Zorns
vierunddreißig Pence«, sagte Mavis Peake schließlich, eine Frau, für die Schweigen einfach Momente waren, die Menschen benötigten, um zwischen einzelnen Statements Luft zu schöpfen. »Wenn Sie also neunundneunzig Millionen neunhundertneunundneunzigtausend neunhundertachtundvierzig Pfund und Sechsundsechzig Pence herbeizaubern können, dann sehe ich kein Problem. Hier«, und an dieser Stelle nahm ihre Stimme einen Tonfall an, der ihrer eigenen Meinung nach vernichtenden Sarkasmus darstellte, »ich steuere meine Schachtel Streichhölzer bei. Damit können Sie das Olympische Feuer anzünden.«
Ratsmitglied Ffog kicherte irre. Bürgermeister McFadeyen kaute auf einer Pille Phenobarbiton. Die Brüder Geronimo setzten ernste Gesichter auf und nickten sich einvernehmlich zu.
»Einhundert Millionen mächtig viel großes Wampam. Squaw haben locker Schraube in Obergeschoß von Wigwam«, sagte Paul Geronimo gewichtig.
»Meinung meines, Bruder nobles«, stimmte Barry ihm zu. »Weiße Squaw zuviel afghanisches Pfeifenkraut durch Kuchenloch gestopft.«
Mrs. Naylor nahm die Schultern zurück und glättete ihre Seidenbluse, soweit das möglich war. »Ich bin mir sehr wohl der Tatsache bewußt, daß die Gemeinde Brentford außerstande ist, eine derartige Summe aufzubringen. Das Geld muß von einem privaten Sponsor zur Verfügung gestellt werden.«
Ratsmitglied Ffog, der sich selbst, wie die Franzosen es nannten, als einen ausgeschlafenen garçon betrachtete, erkundigte sich, ob vielleicht einer der Kollegen die Telephonnummer von Bob Geldoof zur Hand habe. Und indem er sich aus seinem Sitz erhob, sagte er: »Obwohl hundert Millionen kaum mehr als einen Griff in Paul McCartneys Portokasse darstellen dürften, sind sie für den gewöhnlichen Sterblichen nicht so ohne weiteres aufzubringen.« Befriedigt in der Gewißheit, daß er seiner politischen Gegnerin eine vernichtende Niederlage zugefügt hatte, schenkte er Mrs. Naylor ein selbstgefälliges Grinsen und nahm wieder Platz. Doch noch bevor sein Hinterteil das Sitzkissen berührte, wurde ihm bewußt, daß eben jener politische Gegner mit seinem Diskurs fortfuhr, als hätte er niemals das Wort ergriffen.
»Und was, wenn ein solcher Sponsor in eben diesem Augenblick zur Verfügung stünde? Was dann, meine Herren?« Mrs. Naylor blickte zu Mavis. »Oh, und meine Dame selbstverständlich.«
»Dann zeigen Sie mir doch diesen Sponsor!« brüllte der Bürgermeister. »Zeigen Sie mir doch diesen Mann, Madam!«
»Maccas Portokasse, eh?« flüsterte Ffog und stieß einen der Geronimo-Zwillinge vertraulich in die büffelledergekleideten Rippen.
Mavis Peake beugte sich auf ihrem Stuhl vor. Jeder Versuch ihrerseits, mit der Brust erotisch über die Tischkante zu streifen, wäre von vornherein durch den Umstand zum Scheitern verurteilt gewesen, daß sie dazu das Kinn fest auf den Tisch hätte pressen müssen. »Wenn es Ihnen gelingt, einen Menschenfreund aufzutreiben, der bereit ist, hundert Millionen Pfund für die Finanzierung des Brentforder Olympiastadions hinzublättern«, schnarrte sie, »dann werden wir alle Ihrem Vorschlag zustimmen und ihn für beschlossen erklären.«
»Hört hört!« murmelte ein schmutzigbrauner Bürgermeister, der langsam in einem pharmazeutischen Nebel davontrieb. Ein Chorus von »Hört hört’s« erfüllte die ungesunde Atmosphäre der Ratsversammlung. Philip Cameron jedoch umklammerte schützend seine Testikel und bewahrte ein bitteres, verbissenes Schweigen.
Mrs. Naylor lächelte freundlich und nickte mit dem Kopf wie zu einem sanften Rhythmus, den nur sie allein hören konnte.
»Also schön, dann machen wir es so«, sagte sie dramatisch. »Betrachten Sie die Sache als erfolgreich erledigt.« Sie klatschte in die Hände, und auf das Signal hin öffneten sich die Flügeltüren der Ratskammer und gaben den Blick auf zwei Covent-Garden-Design-Studio-Sonnenbrillen über getrimmten Bärten und Paul-Smith-Anzügen preis. Sie flankierten etwas, das Ähnlichkeit mit einem rollenden Krankenhausbett besaß und dessen obere Regionen unter Massen von weißem Leinen verborgen waren.
»Ooooooooh!« machte Clyde Ffog und straffte seine Krawatte. »Nicht schlecht.«
»Dürfen wir eintreten?« erkundigte sich der größere der beiden.
Clyde Ffog nickte begeistert. »Bitte sehr!« forderte er sie auf.
»Ladies und Gentlemen«, verkündete der kleinere der beiden anzugtragenden Krankenbettschieber, »wenn ich mich und meinen Partner hier vorstellen darf? Ich
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