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Kohl des Zorns

Kohl des Zorns

Titel: Kohl des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Rankin
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betupfte ihre empfindsamen Lippen mit einer weißen Stoffserviette. »Die Veranstaltung wird von privater Seite gesponsert.«
    »Ach tatsächlich? Und darf ich erfahren, wer der Wohltäter ist?«
    »Ich wünschte, das wüßte ich selbst.« Der sehnsüchtige Ton in Mrs. Naylors Stimme und der entrückte Blick in ihren Augen blieben John nicht verborgen, und er spürte einen plötzlichen Anflug von Eifersucht.
    »Mrs. Naylor«, unterbrach Mavis Peake ihre Unterhaltung, »entschuldigen Sie bitte, wenn ich Sie Ihren Freunden entführen muß, doch der Minister für Handel und Industrie möchte gerne ein Wort mit Ihnen reden.«
    Jennifer Naylor lächelte über ihr beachtliches Dekollete hinweg auf ihren frustrierten Bettgefährten hinab. »Oh, danke sehr, meine Liebe«, sagte sie zuckersüß und steuerte ihre Brüste dicht an Mavis’ Nase vorüber. »Wenn Sie mich entschuldigen wollen, meine Herren?«
    »Ihr Diener, Madam«, sagte Jim Pooley.
    »Die ganze Geschichte scheint mir trotzdem übertrieben«, fügte er hinzu, als Jennifer Naylor gegangen war, und schob sich einen weiteren exotischen Happen in den Mund. »Was glaubst du, wer das alles bezahlt?«
    Omally zuckte die Schultern. »Ich habe nicht die geringste Ahnung. Aber es muß großes Geld sein. Großes Geld, und von außerhalb. Ich schlage vor, wir mischen uns unter das Volk, Jim, und halten Augen und Ohren offen.«
    »Und die Münder«, fügte Pooley hinzu. »Was ist das hier deiner Meinung nach?«
    »Spargelköpfe, du Hirnie!« sagte Omally. »Etwas zu sehr al dente für meinen Geschmack, aber nichtsdestotrotz äußerst schmackhaft.«
    Neville schob sich ein schales Lachsbrötchen in den Mund und kaute. Die Salonbar war so gut wie leer. In einer Ecke unterhielt sich Bob der Buchmacher leise und eindringlich mit einem abgerissenen Burschen ohne Schuhe und mit bandagiertem Kopf. Andere Stammgäste hatten sich zur Mittagspause woandershin zurückgezogen, als sie den Fliegenden Schwan so überfüllt vorgefunden hatten. Neville hatte auf der ganzen Linie verloren.
    Der Alte Pete betrat die Bar. »Ruhig heute, Neville, was? Einen dunklen Rum bitte.« Der Alte überflog die Platten voller Sandwiches. »War vielleicht Jesus bei dir?« erkundigte er sich.
    Neville fand es nicht zum Lachen. »Rein zufällig waren es ein paar Abgeordnete aus dem Parlament«, antwortete er. Es klang fast genauso unwahrscheinlich. »Die führenden Köpfe Englands. Nimm dir ruhig ein Sandwich.«
    »Danke sehr.« Der Alte Pete nahm zwei. »Die führenden Köpfe also, eh?«
    »Ganz ehrlich«, sagte Neville. Er schob dem Alten Pete den Rum über den Tresen und nahm den exakten Preis in Pennies und Halfpennies entgegen.
    »Dann ist dieser Bursche, mit dem Bob sich in der Ecke unterhält, wahrscheinlich der Pandit Nehru persönlich, oder was?« Der Alte machte sich über das erste Sandwich her. »Hast du vielleicht Ketchup da?«
    Neville schob ihm die kopierte Broschüre mit dem Programm hin. »Ungläubiger Thomas«, murmelte er.
    Der weltmännische Staatsmann warf einen weisen Blick auf das Geschriebene. »Liest sich wie ein Tag im Schlaraffenland«, sagte er. »Was kosten die Karten?«
    »Nichts«, sagte Neville und wandte sich ab, um die leere Rumflasche über dem Portionierer zu ersetzen. »Wenn du die Broschüre dabei hast, kommst du überall umsonst rein. Privilegierte Bastarde. Den einen wird gegeben, den anderen nicht …« Er drehte sich um und sah gerade noch, wie der Alte Pete eilig durch die Tür und auf die Straße hinaus humpelte. »… selbst denen, denen eigentlich genommen werden sollte.«
     
    Die Ausstellung hatte eine dramatische Veränderung erfahren. Wo bis vor ein paar Tagen noch nikotinverfärbte Tapeten und staubige Vorhänge, Klappbänke und mehrere hundert unerträgliche Aquarelle — Arbeiten aufstrebender einheimischer Künstler — die Atmosphäre beherrscht hatten, fand sich nun eine helle, freundliche Symphonie postmoderner Werke allerersten Ranges in pastellfarben gestrichenen Räumlichkeiten. Der viktorianische Marmorboden, zuvor durchaus imstande, ein Flüstern in eine öffentliche Rundfunksendung zu verwandeln und einen Schritt in einen Donnerhall, verlor sich nun unter schalldämpfendem Polysilikat, das effektiv jedes Geräusch schreitender Füße verschluckte, die Akustik harmonisierte und dem Besucher gepolsterten Komfort bot.
    In der Mitte des Ausstellungsraums befand sich das Modell der Gemeinde Brentford, zusammen mit ihrem fünfzackigen Begleiter, der

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