Kohl des Zorns
hoch darüber schwebte. So mußte Bethlehem am ersten Heiligen Abend ausgesehen haben, wenn auch ein wenig einfacher und heruntergekommener. Reihen von Videowänden zeigten jedes Detail, sämtliche Spezifikationen, Belastungsdiagramme, Variablen, Koeffizienten, quantenmechanischen Einzelheiten bla bla.
An der gegenüberliegenden Wand, wo sonst das Gästebuch der Stadt ruhte, war ein gewaltiger Videoschirm aufgestellt, der in dreidimensionaler Computeranimation unaufhörlich zeigte, wie das geplante Olympiastadion zusammengesetzt und wieder zerlegt wurde. Darunter, bewacht von zwei Ex-Sumo-Ringern, die irgend jemand in die Uniform von Sicherheitsbeamten gequetscht hatte, stand ein großer transparenter Zylinder, und in diesem schwebte die kleine Gravitit-Scheibe. Vor dem Zylinder beruhigte ein großes rotes Schild den sicherheitsbewußten Besucher; sollte ein Möchtegernganove tatsächlich die Wachen erfolgreich überwältigen, sich einen Weg durch das zwei Zoll dicke Panzerglas sprengen, die zahlreichen Alarmvorkehrungen außer Kraft setzen und darüber hinaus auch noch die stählernen Fallgitter ausschalten, so wäre er immer noch nicht an den Lasern und dem Giftgas vorbei.
Die Doppeltüren des Restaurants schwangen auf, und die Burschen aus Whitehall, inzwischen allesamt in verschieden ausgeprägten Stadien der Trunkenheit, strömten in einem ungeordneten Haufen herein. In ihrem Kielwasser folgten Pooley und Omally.
»Heiliges Kanonenrohr!« entfuhr es Jim. »Das kommt alles ein wenig überraschend. Ich war noch letzte Woche hier, und damals hat kein Schwein etwas von Renovierung gesagt!«
Omally pfiff zwischen den Zähnen hindurch und schüttelte wortlos den Kopf.
Die Whitehall-Typen, von denen sich einige leidenschaftlich an ihre Sekretärinnen klammerten — und alle mit mindestens der gleichen Leidenschaft an ihre Gläser —, schwärmten staunend und bewundernd unter den Ausstellungsstücken aus. Am Ende versammelten sie sich auf Jennifer Naylors Kommando vor dem Modell der Stadt Brentford.
»Und jetzt, Ladies und Gentlemen«, sagte sie, »übergebe ich das Wort an die Herren Mucus und Membrane, die Ihnen sämtliche Aspekte des geplanten Stadions erläutern sowie sämtliche Fragen beantworten werden, die Ihnen in den Sinn kommen. Meine Herren?«
Lukas und Julian traten ein wenig kleinlaut vor. Sie wurden von zwei unauffällig gekleideten Gorillas bewacht. Lukas hatte eine Reihe blauer Flecken und Blessuren, und Julian war mit seinem weißen Turban allem Anschein nach zu den Sikh übergetreten. Angesichts des Indianeraufstands vom Vortag gingen sie kein Risiko ein. Die Gorillas reckten sich und starrten die Menge drohend an. Von den Geronimo-Zwillingen war nirgendwo etwas zu sehen.
Einmal mehr gingen Mucus und Membrane ihre geschliffene Präsentation durch. Wenn überhaupt, so war sie noch geschliffener als am Tag zuvor, und als sie geendet hatten und sich auf das erwartete Bombardement von Fragen durch die begeisterten Minister vorbereiteten, war Omally für seinen Teil fest überzeugt, daß die Schlacht gewonnen war.
Julius und Lukas waren nicht nur überzeugt, sie wußten es. Sie hatten den Morgen im Verteidigungsministerium verbracht und die Fähigkeiten von Gravitit demonstriert. Und sie hatten bereits Verträge unterzeichnet, daß die Regierung im Austausch für die Formel grünes Licht für die Spiele geben und darüber hinaus sämtliche Kosten für die Verlegung von Birmingham nach Brentford tragen würde. Diese Versammlung hier war nur noch eine Formalität, weiter nichts.
»Wie lange wird die Konstruktion dauern?«
»Etwas weniger als einen Monat.«
»Wer wird das Stadion finanzieren?«
»Unser Klient.«
»Wann werden wir ihn kennenlernen?«
»Bedauerlicherweise überhaupt nicht. Unser Klient lebt sehr zurückgezogen und scheut jegliche Öffentlichkeit.«
»Wurde für die Grundstücke, auf denen die Säulen errichtet werden sollen, bereits eine Baugenehmigung erteilt?«
Lukas und Julian wechselten einen schmerzvollen Blick. »Inzwischen ja.«
»Könnten Sie die Grundstücke vielleicht noch einmal der Reihe nach benennen, für die Akten?«
»Selbstverständlich. Wie ich bereits gesagt habe, handelt es sich ohne Ausnahme um brachliegendes Land, das die Stadt an unseren Klienten veräußert hat. Nachdem die Spiele zu Ende sind, werden sie an die Gemeinde zurückübereignet. Unser Klient ist tatsächlich ein großer Menschenfreund.«
»Und die Grundstücke sind wo?«
Julian benannte
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