Kohl des Zorns
Videoleinwände setzten unbeeindruckt ihre Endlospräsentation fort. Niemand bemerkte den älteren Gentleman, dessen schlanken, gebrechlichen Hände auf dem elfenbeinernen Griff eines schwarzen Malacca-Gehstocks ruhten, während er auf das Modell und seinen glänzenden, sternförmigen Begleiter hinuntersah. Die eisig blauen Augen des Alten unter den weißen, buschigen Brauen brannten voll wilder Leidenschaft, und seine schlohweiße Mähne reichte bis weit über den Astrachankragen des langen schwarzen Umhangs herab, den er trotz der überraschenden Milde der Jahreszeit über den Schultern trug.
Mit der Spitze seines Stocks zeichnete er auf dem Boden den Umriß des Stadions nach, bevor er sich daran machte, einen hektischen, wenngleich schallgedämpften Rhythmus auf die Polysilikatkacheln zu trommeln.
Voller Zweifel schüttelte er den Kopf und wandte sich ab. Langsam schlurfte Professor Slocombe aus der großen Halle.
Kapitel 17
Pooley und Omally verzichteten auf die Teilnahme an der Brauereiführung, genau wie auf die Weinprobe in der Zocker Bar. Sie ließen sogar das Bankett beim Bürgermeister aus, wahrscheinlich gar keine schlechte Entscheidung, denn im nachhinein stellte es sich als eine etwas gedrängte und rauhe Angelegenheit heraus. Kompliziert wurde die Sache durch die gleichzeitige Ankunft einer Busladung voller Pensionäre, die stark nach Pomade und Mottenkugeln rochen und in Sonntagsanzügen von einer Sorte steckten, die in modebewußten Kreisen gegenwärtig eine größere Renaissance erlebt. Auf den herausgestreckten Brüsten und um die Hälse hatten sie ganze Regenbögen voller Orden und Medaillen hängen, und ein jeder von ihnen umklammerte eine offizielle Einladung.
Der Alte Pete hegte seit langem einen ganz besonderen Groll auf den Stadtrat, der auf mehrere Anzeigen seitens des städtischen Gesundheitsamts zurückzuführen war. Petes junger Hund Chips nämlich war, was man einen notorischen Gehwegbeschmutzer zu nennen pflegt.
Der Alte Pete hatte keine Zeit verschwendet und war nach der Mittagspause im Fliegenden Schwan unverzüglich in die Memorial-Bücherei und an den dortigen Kopierer geeilt, und bald darauf fanden dreißig Raubkopien ihren Weg in die begierig ausgestreckten verschrumpelten Hände seiner Schützengrabenseilschaft aus der Britischen Legion. Diese Veteranen, vom lokalen ›Essen auf Rädern‹ gleichermaßen bekannt und gefürchtet als Passchendaele Piranhas, saßen nun in einer langen Reihe an der bürgermeisterlichen Tafel, stopften sich die Stoffservietten in die Nylonkrägen und bereiteten sich auf die Schlacht vor.
Jennifer Naylor schüttelte in nobler Niederlage den Kopf und lächelte tapfer dem Bürgermeister zu, der hektisch durch seinen Terminkalender blätterte und angestrengt überlegte, wo der Fehler stecken mochte.
Die Repräsentanten ihrer königlichen Regierung waren inzwischen ein wenig dünn gesät. Trotz Jennifer Naylors Bemühungen, die zahlreich vorgebrachten Ausreden zu entkräften, schienen sie den ganzen Nachmittag über in kleinen und kleinsten Gruppen abgewandert zu sein. Meist in Zweiergruppen. Unterschiedlichen Geschlechts, versteht sich.
Die Verbliebenen erreichten nun mit zunehmender Geschwindigkeit jenes Stadium alkoholisierter Erleuchtung, das so oft bei den Dienern des Volkes anzutreffen ist. Die Gespräche hatten sich wie von selbst Themen wie der Wiedereinführung der Todesstrafe durch Hängen zugewandt, der Rückkehr des Britischen Empire und Hugo Runes Vorschlag, die Hungernden der Welt dadurch zu ernähren, daß man die Arbeitslosen schlachtete und an sie verfütterte. Die konservativen Säcke rülpsten und schrien unablässig nach mehr Futter und furzten ungeniert.
Jennifer Naylor hob ihr Glas in Richtung Bürgermeister und sagte: »Prost.«
»Prost«, sagte auch John Vincent Omally. »Prost und viel Glück!«
Jim Pooley hob sein Glas mit zehn Jahre altem Malt Whisky an die Nase und schnüffelte. »Wie bist du denn daran gekommen?« fragte er.
Omally tippte sich bedeutungsvoll an die eigene Nase. »Für geleistete Dienste, Jim«, antwortete er. »Und jetzt zum Geschäftlichen. Hast du alles besorgt?«
»Ah … ja.« Pooley hatte die Überschüsse des Nachmittags beim Einkaufen in der Hounslow Street ausgegeben. Omally hatte ihm eine Liste von Dingen angedient, und obgleich jedes für sich genommen unschuldig und bedeutungslos schien, waren sie offensichtlich mehr als die Summe ihrer Teile. Jims Verdacht erhärtete sich weiter
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