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Kohl des Zorns

Kohl des Zorns

Titel: Kohl des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Rankin
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stand nicht darin zu lesen.
    »Meine lieben Freunde«, begann der Bürgermeister. »Meine lieben, lieben Freunde.«
     
    John Vincent Omally leerte sein Pint und blickte auf die alte Guinness-Uhr über der Theke. Es war bald elf. Neville hatte schon die letzte Runde ausgerufen, und Pooley war noch immer nirgends zu sehen.
    So hatte John die Dinge nicht geplant. Überhaupt nicht. In einer perfekten Welt wäre Pooley bereits vor einer Stunde eingetrudelt. Sie hätten ihre Drinks unberührt stehengelassen, wären aus dem Fliegenden Schwan geschlichen, hätten den Sprengstoff aus der Schrebergartenhütte geholt, die Ladungen auf dem Leichter angebracht und wären rechtzeitig wieder zurück gewesen, um ihre Pints zu leeren und laut über die mögliche Ursache der heftigen Explosion aus der Richtung des Flusses zu sinnieren. Umgeben von Freunden wären sie dann möglicherweise sogar zu einem Erkundungsgang aufgebrochen, um nachzusehen, was die Ursache für den nächtlichen Radau war.
    Aber das hier war keine perfekte Welt, und Jim Pooley war nirgendwo zu sehen.
    Omally schob sein leeres Glas über den Tresen. Was hatte Jim jetzt schon wieder verbockt? Wo steckte der Kerl? Plötzlich trat ein grimmiger Ausdruck auf das sonst von so fröhlicher Contenance beherrschte Gesicht. Der Mistkerl hatte Fersengeld gegeben!
     
    Jim spulte das Video bis zum entscheidenden Duell am Ende vor, seiner Lieblingsszene. Ohne Ton verlor die Szene allerdings einiges an Spannung und Dramatik.
    Jim erhob sich unsicher und wühlte in dem Stapel Videokassetten. Es waren richtige Schätze darunter, kein Zweifel: Plan neun aus dem Weltraum, Der Mars braucht Frauen, Als die Frauen noch Schwänze hatten. Jeder für sich war ein Klassiker, den man nicht einfach in die Luft jagen durfte. Nein, es mußte einen anderen Weg geben.
    Fast hätte sich Pooley am Kopf gekratzt. Seine Hand tastete trunken in den oberen Regionen nach dem entsprechenden Körperteil. »Vielleicht können wir den Kahn ja wieder flottmachen«, lallte er vor sich hin. »Wir lassen uns ein Stück flußabwärts treiben, fertig.« Er schüttelte den Hals einer Champagnerflasche in einem georgianischen Kühler. Leer.
    »Zeit zum Nachschenken«, sagte der Bursche und schwankte zum Cocktailschrank. »Hmmm … Eene, Meene, Muh …« Die Auswahl war groß, doch das meiste war von der »Aus-dem-Urlaub-mitgebracht-weil-uns-die-Farbe-so-gut-gefällt«-Sorte, die einem Betrunkenen stets als gute Idee erscheint, aber am nächsten Morgen unausweichlich zu ernsthaften Hirnschäden führt.
    »Bananenlikör«, murmelte Jim Pooley. »Eine gute Idee.« Er zog einen Plastikstopfen ab, der wie Carmen Mirandas Hut geformt war, und goß sich einen kräftigen Schluck der gelblichen Flüssigkeit ins Glas. »Anker auswerfen!« murmelte er.
    Draußen an Deck erklang ein dumpfer Aufprall. Pooley erstarrte. Das mußte John sein. Jim bekam einen Schluckauf. »Ich brauche noch eine Minute oder so«, kicherte er lallend. »Ich bin noch nicht ganz fertig.« Ein weiterer dumpfer Schlag, gefolgt von dem Geräusch von etwas Metallischem, das über das Deck geschleift wurde.
    »Was hat er jetzt schon wieder vor?« fragte sich Jim. »Natürlich. Er bringt die Ladungen an. Ich bin ein Rindvieh. Hmmm. Besser, ich beeile mich.«
    Er warf einen hastigen Blick in die Runde. Das meiste war nicht so wichtig, und irgendwie war es sowieso egal. Jim atmete tief und unsicher durch. Bald schon würde er Millionär sein, und wen scherte da noch eine Schiffsladung Diebesgut? Das war ein neuer Anfang. Ein neuer, ehrlicher Anfang. Jim blieb an einem Bullauge hängen und zog die Vorhänge beiseite.
    Er spähte hinaus und … starrte in das Angesicht des Todes in höchster Person! Es war ein riesiges, aufgequollenes Gesicht, böse und geschwollen, eine Masse aus Falten und Taschen. Die Haut sah weiß und tot aus wie die Haut einer Leiche, doch die Augen waren lebendig, rund und schwarz mit weißen Pupillen.
    Jim wich erschrocken zurück, doch dann überkam ihn die Wut. Der Kopf gehörte einer Vogelscheuche oder so etwas. John wollte ihn erschrecken, und das, obwohl er von Jims schwachem Herz und allem wußte. Und dann blinzelten die Augen, und ein bis dahin unter all den Falten unsichtbarer Mund öffnete sich wie eine weit klaffende Wunde. Er öffnete sich, und ein scheußlicher Rachen wurde sichtbar. Eine klaffende schwarze Kaverne ohne Zähne oder Kieferleiste … Eine Stimme, ein Laut, ein Schrei …
    Jim zog hastig die Vorhänge zu und

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