Kohl des Zorns
den Korken ein.
Die Uhr der Memorial-Bücherei schlug zehn, als John Omally den Fliegenden Schwan betrat. Der Samstagabend war wie stets eine laute und beengte Angelegenheit. Neville hatte Wimpel und Banner aufgehängt, und große Photographien britischer Olympiahelden schmückten die Wände. Er begrüßte John ohne Begeisterung. Omally bestellte ein Pint vom Allerbesten und schlug den ›Olympischen Toast‹ aus, den Neville als ›ideale Ergänzung‹ anbot.
»Das ist ja alles wirklich aufregend«, sagte John. »Wenn das ein Vorgeschmack auf die Dinge sein soll, die vor uns liegen, dann werden die nächsten Monate bestimmt ziemlich turbulent.«
»Solange die Brauerei sich nicht einmischt«, antwortete Neville, »kann ich vielleicht sogar ein paar Pennies verdienen.«
»Der Speerwurf!« Normans Stimme übertönte das allgemeine Gemurmel und erweckte Omallys Interesse. Er nahm sein Pint entgegen, zahlte und hielt nach dem Eckladenbesitzer Ausschau.
»Ah, John«, sagte Norman. »Der Speerwurf.« Er vollführte die entsprechenden Bewegungen. Omally nippte geziert an seinem Pint und leerte das Glas dabei um gut ein Drittel. Normans Geschick mit den gefiederten Pfeilen war in der Gegend Legende. Er war Kapitän der Darts-Mannschaft des Fliegenden Schwans, einer Mannschaft, die seit zehn Jahren ungeschlagen war. Doch der Gedanke, daß der dickbäuchige Ladenbesitzer sich mit den größten Athleten der Welt messen könnte, erschien vollkommen absurd.
»Also hast du schon angefangen zu trainieren?« erkundigte sich Omally.
Norman grinste wölfisch. »Ich habe alles bereits geplant«, sagte er.
»Aha.« Omally teilte Normans wissendes Grinsen. »Du konstruierst also deinen eigenen Speer?« Die beiden wechselten einen Blick von der Art, wie ihn nur alte und vertraute Freunde wechseln können — oder zumindest zwei Burschen, die beide wissen, was der andere im Schilde führt. »Bravo«, sagte John. »Ich werde Jim überreden, das eine oder andere Pfund auf die Heimmannschaft zu setzen.«
»Besser, ich mache das für ihn«, sagte Norman. »Die Spatzen pfeifen von den Dächern, daß Jim Pooleys Gesicht in Bobs Buchmacherladen gegenwärtig nicht so recht erwünscht ist.«
»Guter Mann.« Omally bestellte eine Runde. »War Jim schon da?« erkundigte er sich bei Neville.
»Hab’ ihn heute abend noch nicht gesehen. Möchtest du etwas essen?«
»Nein danke, Neville. Aber ich frage mich, wo Jim abgeblieben ist.«
»Wahrscheinlich sitzt er noch immer beim Bürgermeister und schlägt sich den Bauch voll«, mutmaßte der Barmann und griff nach einem Glas und dem Poliertuch. »Ganz genau wie du bis eben.«
»Ich war nicht dort.«
»Dann mußt du ja am Verhungern sein! Nimm einen Olympischen Toast.«
»Neville«, sagte John, »ich kann nichts für das, was heute Mittag passiert ist!«
»Was ist denn passiert?«
»Ich denke da an den plötzlichen Verlust deiner Kundschaft, die zu einem Überschuß von Lachsschnittchen geführt hat. Eben jenen Schnittchen, die du mir jetzt als Olympischen Toast andrehen möchtest.«
Neville hatte es plötzlich eilig, einen ungeduldigen Gast an der Theke zu bedienen. »Möchte irgend jemand vielleicht ein Sandwich?« übertönte seine Stimme die Unterhaltungen.
»Verrat mir eins, Norman«, sagte Omally, während er dem Ladenbesitzer sein Glas reichte. »Du bist ein Mann der Wissenschaft. Was hältst du von der Geschichte mit diesem Stadion?«
»Wie meinst du das, John?«
»Nun, ist so etwas überhaupt machbar? Du weißt schon, Solarpaneele, Gravitit und so weiter.«
»Machbar schon, John«, antwortete Norman mit einem bitteren Unterton in der Stimme. »Obwohl ich beim besten Willen keine Ahnung habe, wie es gemacht wird.«
Omally nickte nachdenklich. »Jedenfalls kommt das alles für meinen Geschmack ziemlich plötzlich.«
»Plötzlich ist nicht das richtige Wort. Wir erfahren heute erst davon, und nächsten Montag fangen die Bauarbeiten an. Diese Schnelligkeit ist übermenschlich! Allein die Entwicklung von Gravitit muß Jahre gedauert haben. Hinter der Geschichte steckt mit Sicherheit viel mehr, als man im ersten Augenblick glauben mag.«
»Und was soll das sein?«
»Computer«, antwortete Norman. »Computer und ein einzelnes geniales Gehirn. Ein Gehirn, das noch um einiges genialer sein muß als das vom alten Albert Einstein persönlich.«
»An wen denkst du dabei?«
»Das weiß nur der liebe Gott allein. Ein wissenschaftlicher Genius von beträchtlichem Vermögen. In der
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