Kohl des Zorns
die Pooley bisher entgangen waren. »Jim, du bist ein verdammter Esel! Ich habe die Bombe scharfgemacht! Sie ist draußen an Deck! Wir haben vielleicht noch zwei Minuten, bevor …! «
»Laß uns raus!« kreischte Jim in noch höheren Tonlagen. »Laß uns gefälligst raus!«
»Licht! Wir brauchen Licht!« Omally tastete im Dunkeln herum. »Wo ist die Taschenlampe? Wo ist die verdammte Taschenlampe?« Unsichtbar für Omally und sich selbst fuchtelte Pooley mit den Händen. »Hör auf damit!« warnte ihn Omally. »Wo ist die verdammte Taschenlampe? Wo ist die Taschenlampe, Jim?«
»Am Haken! Am Haken!«
»Wo ist der verdammte Haken?«
»An der Tür!«
»Wo ist die Tür?«
»Dort drüben … oder nein, ist sie vielleicht dort …?«
»Hier ist sie.« Omally schaltete die Taschenlampe ein. Sie funktionierte ausnahmsweise tatsächlich. Er leuchtete in das idiotische Gesicht Pooleys.
»Hilfe«, sagte dieser kleinlaut. »Hilfe.«
»Es muß einen Weg nach draußen geben!«
»Wenn die Luke versperrt ist, können wir uns nicht einmal durch ein Bullauge zwängen.«
Das Licht der Taschenlampe erfaßte ein Glaspaneel im Boden. »Die Fischtanks!« sagte Omally.
»Ah, die Fischtanks«, sagte Pooley. »Ich hab’ vergessen, sie aufzumachen.«
»Das ist jetzt egal. Sie sind der einzige Weg nach draußen. Komm jetzt.«
»Wir werden ertrinken!«
»Werden wir nicht!« Omally riß den Glasdeckel auf, der die Fischtanks abgedeckt hatte, und sprang ins Wasser hinunter. Es war sehr kalt, sehr schwarz und sehr wenig erfolgversprechend. Zwischen seinen verwundeten Knien bewegte sich ein großer Lachs. »Komm jetzt endlich, Jim! Wir reißen das Drahtnetz auf und schwimmen unter Wasser nach draußen!«
»Wir werden ertrinken!«
»Komm jetzt!« Omally leuchtete mit der Taschenlampe zu seinem Kumpan hinauf, packte ihn am Knöchel und zerrte ihn zu sich ins Wasser.
»Die Fische werden uns fressen!«
»Bewegung jetzt! Wir haben keine Zeit mehr. Nimm einen tiefen Atemzug!«
Jim hatte vielleicht Zeit zu einem halben, bevor Omally seinen Kopf unter Wasser drückte und ihn vorwärts auf das Maschengitter schob, das die Wand des Fischgeheges bildete. Ringsum schossen dicke Lachse durchs Wasser, genauso begierig auf ihre Freiheit wie Omally. Jim war erst wenige Sekunden unter Wasser, doch sein Leben zog nichtsdestotrotz mehrere Male an ihm vorüber. Und dann brach er mit einem mächtigen Atemzug durch die Oberfläche, vielleicht zehn Fuß oder so von dem rostigen Kahn entfernt. Er hustete und spuckte die Themse aus.
Über ihm war eine plötzliche Bewegung, ein Geräusch. Jim richtete den entsetzten Blick auf das Deck des Leichters. Dort raste das Ding, das Monster, unruhig auf und ab. Im Mondlicht war es noch schrecklicher anzusehen, fast wie ein Mensch, auch wenn es auf allen vieren ging. Sein Kopf zuckte herum, und es erblickte Pooley. Aus seiner Kehle entrang sich ein dumpfes Heulen.
Jim zappelte im Wasser. Die Unterströmung war stark, und Pooley war alles andere als ein guter Schwimmer. Schnell wurde er flußabwärts und ganz allgemein nach unten abgetrieben.
»John, hilf mir … John!« Pooleys Stimme verstummte, und die Schwärze des Flusses schloß ihn ein.
Und dann zerriß eine ohrenbetäubende Explosion die Brentforder Nacht in eine Million Fragmente. Eine gewaltige Stichflamme schoß wie ein Pilz aus dem alten Leichter und in den Himmel hinauf. Ein Hagel brennender Trümmer regnete auf den Fluß und das umgebende Gebiet herab. Und inmitten dieses Malstroms aus Feuer und zerfetzender Gewalt gab etwas Pelziges, das nicht Mensch und nicht Tier war, einen leisen Schrei aus Wut und Trotz von sich und war dann gar nichts mehr. 12
Was für die meisten Brentforder eine Nacht zum ausgelassenen Feiern und Trinken gewesen war, verwandelte sich mit einem Mal in ein Chaos aus Krankenwagen, Polizeiautos und Feuerlöschzügen. Sirenen heulten, Alarmglocken schrillten, Blaulichter blitzten. Aus der Stadthalle ergoß sich eine Bande kriegerischer Pensionäre, die Weinflaschen und Gehstöcke schwangen. Neville vergrub das Gesicht in den Händen, als sich seine Salonbar zum zweiten Mal an diesem Tag schlagartig leerte. Soviel also zu den Lachsschnittchen, dachte er.
Es dauerte eine Weile, bis die Feuerwehr eine Bresche in den rostigen Eisenzaun geschlagen hatte, die breit genug war, um die Löschwagen durchzulassen, und noch länger, bis das flammende Inferno unter Kontrolle war. Bis zu diesem Zeitpunkt war von dem einstigen
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