Kohlenstaub (German Edition)
schäbige Sofa im Wohnzimmer. Dann holte er ein Glas Leitungswasser
und stellte es auf das Tischchen. Kurz darauf schlief ich ein.
FÜNF
»Dat ist ja wohl
‘n Ding mit dem Pastor! Liecht der einfach tot inne Wohnung!« Trudi machte
keine Anstalten, die Brause zu holen, nach der ich gefragt hatte. Sie hatte
sowieso nur als Vorwand gedient.
Ich stand in dem
kleinen Innenraum der Trinkhalle. Außer mir befand sich keine weitere
Kundschaft im Laden.
Ȇber die Toten
nichts Schlechtes, sacht man ja, aber der Hanning mit seinen Frauen, nee, nee …« Sie schüttelte den Kopf. »Ich hab immer gesacht, das geht nich mehr lange
gut …«
»Was meinen Sie
damit?«
»Na, da isses doch
zugegangen wie im Taubenschlach! Heute ‘ne Brünette, morgen ‘ne Schwatte, ‘ne
Rote gab’s auch mal zwischendurch, und zum Schluss so ‘ne Blonde, Feine.«
»Wissen Sie, wer
das war?«
»Na, aber die
kennen Sie doch! Die jetz bei Ihnen unten wohnt. Die is immer zum Pastor seine
Wohnung, mehrmals inne Woche.«
»Fräulein
Kreuter?«, wunderte ich mich. Laut Aussage der Mutter ging sie mit einem
Spanier. Den Lehrer hatte sie ebenfalls im Blick. War sie auch mit dem Pastor
näher bekannt gewesen?
»Ich behalt mir
doch die Namen nich. Ich seh nur, wer hier vorbei geht, wer ‘n Bier trinkt und
wer hier wen besucht.«
»Ach ja? Erzählen
Sie mehr, gnädige Frau!« Ich erkannte den jungen Mann, der auf der Polizeiwache
so wenig willkommen gewesen war. Unbemerkt hatte er den Laden betreten.
»Ach nee. Der
rasende Reporter. Wat willst du denn schon wieder hier?«
»Informationen.
Was sonst?«
»Na, da biste aber
an der falschen Stelle«, behauptete die Kioskbesitzerin. »Ich weiß rein gar
nichts. Und wenn ich was wüsste, tät ich’s dir gerade sagen!« Sie stemmte die
Hände in die Hüften.
Einer der Trinker
näherte sich der Warenausgabe. Unaufgefordert zog Trudi ein Bier hervor. Der
Mann nahm die Flasche entgegen, ließ den Bügelverschluss aufklicken und nahm
einen tiefen Schluck. Es war zehn Uhr morgens.
Ich wandte mich
zum Ausgang.
»Fräulein Pastor,
Ihre Brause!«, rief Trudi mir nach. Ich drehte mich nicht um. Sollte sie ihre
Brause allein trinken.
Kurz vor dem
Gemeindehaus legte sich eine Hand auf meine Schulter. Ich blickte in das
Gesicht des Reporters.
»Liebes Fräulein,
nicht so eilig!«, rief er. »Haben Sie mal einen Moment Zeit für mich?«
Auf den zweiten
Blick sah ich, dass der blonde Schopf ihn jünger wirken ließ, als er vermutlich
war. Um die Augen herum hatten sich Fältchen eingenistet. Ich schätzte ihn auf
etwa vierzig. Fröhlich zwinkerte er mir zu. Die Art, wie er das tat, erinnerte
mich an jemand.
»Erkennen Sie mich
nicht? Wir sind uns am Sonntag im Flur begegnet. Als Sie den Toten gefunden
haben. Luschinski mein Name«, stellte er sich vor und tippte sich an einen
imaginären Hut.
»Das waren Sie?
Der Reporter? Ich dachte, Sie gehörten zum Doktor!«
»Ich bin mit ihm
ins Haus geschlüpft. Als Journalist muss man die Gunst der Stunde nutzen.« Er
schob einen Kaugummi im Mund herum. Eine Kamera baumelte vor seiner Brust. »Was
wollte Kellmann von Ihnen?«
»Nichts
Besonderes.«
»Ach, kommen Sie.
Ich weiß doch längst, dass der Pastor an einer Vergiftung gestorben ist.
Kohlenmonoxid. Haben Sie mal überlegt, warum die Mutter noch lebt?«
Ich zuckte mit den
Schultern.
»Und warum hat die
Kripo Sie zur Wache zitiert? Glauben Sie mir, da ist was nicht mit rechten
Dingen zugegangen.«
»War der Artikel
in der RuhrRundschau von Ihnen?«
Er zwinkerte
wieder, ohne meine Frage zu beantworten. »Und dann die Kotze im Keller! Pardon,
so was sagt man nicht gegenüber einer Dame. Im Flur waren noch Spuren von Erbrochenem.
Haben Sie das nicht mitgekriegt?«
Vage erinnerte ich
mich an einen merkwürdigen Geruch.
»Den Pastor hat es
im Heizkeller erwischt, davon geht man inzwischen aus. Dort war auch das Leck
in der Anlage. Die mutmaßliche Todesursache. Ob aus Versehen oder Absicht, das
weiß keiner. Jedenfalls hat sich die Sache im Untergeschoss abgespielt. Deshalb
lebt die Mutter noch, und der Pastor ist tot. Die große Frage ist, wie der
Pastor danach in die Wohnung gekommen ist. Jedenfalls nicht von alleine.
Spätestens da hat jemand nachgeholfen.«
»Meinen Sie? Das
ist doch alles Spekulation.«
»Als Reporter habe
ich einen Riecher für faule Eier.«
»Ach ja?«
»Wenn Sie das
nicht überzeugt: Kellmann ermittelt auf Hochtouren. Die halbe Siedlung rückt in
den nächsten Tagen bei
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