Kohlenstaub (German Edition)
den Hanning auf dem Gewissen hat. Wie lautet denn
sein Alibi für Samstagnacht?«
»Samstag? Da hat
er dasselbe gemacht wie offensichtlich gerade eben. Der Haussegen hing hörbar
schief«, erklärte ich. »Aber Moment mal: wieso Samstag? War Hanning denn schon
so lange tot?«
»Man geht davon
aus! Mindestens zwölf Stunden, vielleicht auch fünfzehn, wenn die Räume die
ganze Zeit über unbeheizt waren!«
»Und woher wissen
Sie das?«
Luschinski
zwinkerte. »Ich geb doch meine Quelle nicht preis!«
Der Wasserkessel begann
zu pfeifen.
»Jetzt gibt’s auch
noch Kaffee«, freute sich der Reporter. »Da hab ich ja gar nicht mit
gerechnet!«
Während ich das
heiße Wasser in den Filter goss, sprach der Reporter die Diakonisse an. »Liebe
Schwester Käthe, sicher waren Sie auch bei der Polizei und haben ausgesagt! Was
haben Sie dort erzählt?«
»Die Polizei! Gott
der Herr entscheidet über Leben und Tod. Er allein bestimmt, wen er ruft und
wann!«
»Schön, wenn Sie
das so sehen! Aber Ihnen muss doch an der Leiche einiges aufgefallen sein! An
der Haut, an dem gesamten Zustand!«
Schwester Käthe
schüttelte unwillig den Kopf. »Hanning war nicht gesund. Er hatte einen
Herzfehler; da sieht manches anders aus.«
Es wurde kühler im
Raum. Ich stand auf, öffnete die runde Ofenklappe und schaufelte Kohle nach.
»Da haben Sie aber
schwer an den Kohlen zu schleppen!«, bemerkte Luschinski.
»Zum Glück nicht.
Die anderen Räume werden zentral beheizt. Im Keller ist ein Heizkessel!«
Luschinski pfiff
durch die Zähne. »Also eine ähnliche Anlage wie bei Hanning. Da passen Sie aber
mal gut auf, wer hinter Ihnen die Kellertreppe runtergeht!«
»Jankewicz ist
zuständig.«
»Dann erst recht!«
»Junger Mann!
Darüber macht man keine Scherze«, sagte die Diakonisse streng.
Genüsslich
schlürfte der Reporter seinen Kaffee. »Schwester Käthe, Sie kennen sich doch
aus in der Siedlung«, setzte er dann erneut an. »Was halten Sie von Trudis
Aussage über Hanning und die Frauen?«
»Hanning soll eine
Freundin gehabt haben? Eine Geliebte? Aber nein, bestimmt nicht. Hanning war
ein Ehrenmann«, beteuerte die Diakonisse. »Trudi ist und bleibt eine
Klatschtante.«
»Genauer gesagt
sprach sie von einer Blonden, die bei Hanning verkehrte und bei mir im
Pfarrhaus wohnt. Von einer feinen Blonden«, ergänzte ich.
In Schwester
Käthes rundlichem Gesicht zeigte sich der Ansatz eines Lächelns. »Frau
Jankewicz hat bei Hanning geputzt und den Haushalt geführt. Sie verfügte sogar
über einen Wohnungsschlüssel.«
»Interessant«,
kommentierte Luschinski. »Vielleicht war sie nicht nur dem Haushalt dienlich,
sondern auch dem Hausherrn?«
Schwester Käthe
sah ihn strafend an. »Ich muss doch sehr bitten!«
Luschinski erhob
sich. »Ich muss los. Leidige Termine. Schade. Jetzt, wo’s gemütlich wird. Bis
bald dann, die Damen!« Er deutete eine Verbeugung an. »Und danke für den
Kaffee!«
Ich begleitete ihn
zur Wohnungstür. »Herr Luschinski, eine Frage habe ich noch.«
»Worum geht’s?«
»Könnte es nicht
doch ein Unfall gewesen sein? Angenommen, Hanning wäre im Heizkeller erstickt.
Jemand hätte ihn später gefunden und die Leiche nach oben getragen. Dann hat
derjenige den Tod des Pastors nicht zu verantworten.«
»Rein
theoretisch.«
»Welche Symptome
hat man überhaupt bei einer Kohlenmonoxidvergiftung?«
Luschinski
überlegte. »Schwindelgefühle. Atemnot.«
»Hätte er den
Keller noch verlassen können?«
Diesmal zwinkerte
er nicht, sondern seufzte. »Das weiß Gott allein, und für den sind ja wohl Sie
zuständig.«
Er wandte sich zum
Gehen. »Übrigens ist das ganz einfach«, rief er mir von der Treppe aus zu.
»Wenn jemand Hanning nur die Treppe hochgeschleift hat, dann wird er sich
melden.«
Die Küche war
wohlig warm. Der Ofen bullerte vor sich hin.
»Wissen Sie, was
mit Familie Jankewicz los ist?«, fragte ich Schwester Käthe. »Sie streiten so
viel.«
»Nicht alle Ehen
sind glücklich.«
»Die Frau tut mir
leid! Ich würde ihr gerne helfen.«
»Kindchen«,
seufzte die Diakonisse, »in eine Ehe mischt man sich nicht ein. Das geht nur
die beiden etwas an.«
Ich wollte ihr
widersprechen, doch da klingelte das Telefon.
»Evangelisches
Pfarramt, Gerlach«, meldete ich mich.
Das Gespräch
dauerte nicht lange. Als ich zurückkehrte, teilte ich Schwester Käthe mit: »Das
war der Bestatter. Die Leiche ist freigegeben. Hanning wird nächste Woche
beerdigt, am Montag um dreizehn Uhr.«
»Tor!
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