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Kohlenstaub (German Edition)

Kohlenstaub (German Edition)

Titel: Kohlenstaub (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Kathrin Koppetsch
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nahm den nächsten Schluck.
    »Oh, ist der süß«,
sagte ich, nachdem ich an dem Wein genippt hatte, und besah mir das Etikett.
»Donaublut. Kein Wunder!«
    Rosi ging nicht
darauf ein. »Meinst du, es gibt einen Zusammenhang zwischen den verschiedenen
Ereignissen in der Siedlung?«
    »Einen
Zusammenhang auf jeden Fall. Aber das heißt nicht, dass es nur einen Täter
gibt. Ich glaube inzwischen, dass es mehrere sind.«
    »Wen hast du in
Verdacht?«
    Ich probierte noch
einen Schluck und stellte das Glas dann weg.
    »Ungenießbar«,
kommentierte ich abschließend. »Fangen wir mit dem Einfachsten an: Die toten
Kaninchen waren wahrscheinlich ein Dummejungenstreich. Das trägt die
Handschrift von Detlef und Manni und ihrem Kumpel. Bei der Sache mit Hanning
tippe ich immer noch auf Jankewicz.«
    »Sicher?«
    »Sicher bin ich
nicht. Es kann sogar gut sein, dass er nicht allein war bei der nächtlichen
Aktion. Und die Rolle von Rabenau wird immer undurchsichtiger. Rosi?«
    »Ja?«, sagte meine
Freundin und Amtsschwester und gönnte sich einen weiteren Schluck.
    »Das, was ich dir
nun erzähle, bleibt doch unter uns?«
    »Natürlich. Ich
stehe als Pastorin unter Schweigepflicht. Weißt du doch.«
    »Donnerwetter«,
kommentierte Rosi eine halbe Stunde und eineinhalb Gläser Wein später, nachdem
ich ihr die Geschichte des Pfarrhauses und ehemaligen Gemischtwarenladens
geschildert hatte. »Da haben ja einige Leute etwas zu verbergen.«
    »Genau. Rabenau
hat mit Sicherheit ein Interesse daran, dass die Geschichte nicht an die große
Glocke gehängt wird. Schließlich belastet sie seinen Vater.«
    »Warum gibt die
Kirchengemeinde das Haus nicht einfach an Idschdi und seine Frau zurück? Kruse
hat doch im Krieg auch den Großeltern geholfen. Warum nicht jetzt dem Enkel?«
    »Na ja. Die
Immobilie hat schließlich keinen geringen Wert. Sicher sechzigtausend Mark.«
    »Vielleicht sogar
mehr: ein Haus in stadtnaher Lage, nahe am Park, ein Mehrfamilienhaus.
Achtzigtausend, hunderttausend Mark? Und du glaubst, Hanning hätte eine
Rückgabe befürwortet?«
    Wir schwiegen und
lauschten der Musik. Jetzt spielten eine Flöte und eine Violine.
    »Er wollte ja wohl
die Gemeinde verlassen. Das hätte er auch gemusst, wenn er die Jankewicz
geheiratet hätte. Eine Geschiedene und er der Scheidungsgrund. Möglicherweise
hätte er dann überhaupt nicht mehr als Pastor arbeiten können.«
    »Verstehst du, was
der Hanning an ihr fand? Sie ist doch wohl sogar älter als er. Als er war,
meine ich.« Rosis Stimme klang verwaschen.
    Ich schenkte Rosi
Wein nach. »Das ist im Moment unser geringstes Problem. Ich denke, er wollte
insgesamt reinen Tisch machen. Deshalb hat er sich auch für die Rückgabe des
Hauses an Lewinskys Enkel eingesetzt.«
    »Und dafür musste
er mit seinem Leben bezahlen.«
    »Könnte sein.« Ich
zuckte mit den Schultern. »Was lernen wir daraus? Es kommen außer Jankewicz
noch andere in Frage für den Mord oder Totschlag, oder was auch immer es war …
Rabenau zum Beispiel.«
    »Traust du Kruse
zu, dass er mitgemischt hat?«
    »Er ist ein
Stinkstiefel. Doch ich halte ihn für einen redlichen Menschen«, erklärte ich.
»Und nur weil einer keine Frauen auf der Kanzel mag, muss er nicht gleich zum
Mörder werden.«
    »Jedenfalls macht
er aus seinem Herzen keine Mördergrube!« Rosi fand das lustig. Ich weniger.
Vielleicht, weil mir der nötige Schwips fehlte.
    »Ich frage mich:
Wie passt Mannis Verschwinden in das Bild?« Ich seufzte.
    In diesem Moment
blieb die Nadel hängen und spielte immer wieder dieselbe Tonfolge. Ich griff
nach dem Plattenarm und führte ihn auf seine Station zurück. Es knackte noch
einmal. Dann war es still im Raum.
    »Die Platte hat
einen Sprung«, murmelte Rosi schließlich. »Wie diese Geschichte hier.«
    »Du sagst es. Und
wir sind immer noch nicht sicher, ob Manni nicht einfach ausgerissen ist.«
    Das hörte Rosi
nicht mehr. Sie war im Sessel eingeschlafen.
    Später öffnete ich
das Fenster. Draußen wehte ein laues Mailüftchen. Der Duft von blühenden Bäumen
mischte sich in den Geruch von Kohlenstaub.
    Hier bin ich
jetzt, dachte ich. Auf meiner ersten Stelle. Wenige Monate im Amt, und schon
mittendrin in einer Geschichte, in der es um Verbrechen und Verhängnis, um
Schuld und Sühne ging. Einer Geschichte, deren Spuren sich bis in den Krieg zurückverfolgen
ließen. Dabei war ich vor den Erinnerungen geflohen. Ich hatte gehofft, hier,
in der Siedlung am Westrand von Dortmund, endlich zur Ruhe zu

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