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Kohlenstaub (German Edition)

Kohlenstaub (German Edition)

Titel: Kohlenstaub (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Kathrin Koppetsch
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nicht meinen Kollegen Kruse, doch ich fragte
nicht nach.
    »Wenn es so
wichtig ist, würde ich es lieber in meiner Dienstwohnung besprechen. Sind Sie
mit dem Auto da?«
    Noch bevor die
Sonne untergegangen war, kannte ich ein weiteres Geheimnis aus der Siedlung.
Eines, von dem ich nicht wusste, ob ich es wirklich hatte erfahren wollen. Ohne
Luschinskis historischen Nachhilfeunterricht wäre mir die Geschichte völlig
unglaubhaft vorgekommen.
    »Nur um
sicherzugehen, dass ich Sie richtig verstanden habe«, fasste ich zusammen und
sah Rosenberg, der mir in meinem Amtszimmer gegenübersaß, in die Augen. »Sie
sind als Jurist spezialisiert auf Enteignungen und Kaufverträge von jüdischem
Eigentum während der Nazizeit.«
    »Auf Verträge, die
aufgrund der Zwangslage unrechtmäßig waren«, verbesserte Rosenberg.
    »Ja, das meinte
ich. Sie vertreten das Ehepaar …« Ich stockte, weil mir Idschdis Nachname nicht
einfiel.
    »Kowalska!«
    Idschdi und Marie
saßen auf der Besuchercouch und hielten sich an den Händen. Erst jetzt bemerkte
ich Maries gerundeten Leib. Die beiden, die mir eigentlich so vertraut waren
wie alte Pantoffeln, kamen mir auf einmal so fremd vor wie ein Paar, das ich
zufällig an der Bushaltestelle getroffen hatte. Warum war keiner auf die Idee
gekommen, die beiden nach ihrer Herkunft zu fragen? Oder wusste mein Kollege
Bescheid? Dunkel erinnerte ich mich an das Gespräch zwischen Kruse und Rabenau,
das ich vor einigen Tagen versehentlich belauscht hatte. War es darin nicht um
einen Anspruch gegangen, den der Hausmeister stellte?
    »Idschdi« – jetzt
war mir doch der Spitzname herausgerutscht – »behauptet, ein Enkel des 1942 in
Dortmund verstorbenen Lewinsky zu sein. Der Sohn der Tochter, die damals in die
Niederlande floh. Später kehrte die Familie nach Polen zurück und versuchte, sich
in der Gegend bei Allenstein eine Existenz aufzubauen. Die Tochter der
Lewinskys verstarb 1957. Id… Ihr Mandant verließ Polen 1959 mit seiner Ehefrau
Marie, eigentlich Maria. Ein Jahr lang hielten sie sich in der Ostzone auf.
Kurz bevor die Mauer gebaut wurde, gingen sie in den Westen.«
    »Ja, so ist es«,
bestätigte Rosenberg.
    Erschöpft lehnte
ich mich zurück.
    »Sie kamen 1962 in
Dortmund an. 1963 nahmen sie ihre Arbeit in der Kirchengemeinde auf. Das war
kein Problem, weil I… Ihr Mandant getauft ist und die evangelische
Kirchenmitgliedschaft besitzt. Kein Mensch kam auf die Idee, einen Zusammenhang
zu der jüdischen Familie Lewinsky …«
    »Lewinskys haben
sich taufen lassen«, unterbrach Rosenberg. »Kurz, nachdem die Tochter mit ihrer
Familie in die Niederlande geflohen ist. Das können Sie in den Kirchenbüchern
nachlesen. Ihr Kollege Kruse hat die Lewinskys getauft.«
    Das wusste ich
bereits von Luschinski. Aber ich fragte dennoch: »Hatten sie keinen Kontakt zur
jüdischen Gemeinde? Ich meine, war denn nicht damals schon klar, dass die Taufe
nicht hilft?« Ich verhedderte mich.
    Rosenbergs Gesicht
blieb ausdruckslos. Mit Sicherheit war er selbst Jude, zumal mit diesem Namen.
Nach einer kurzen Unterredung auf Polnisch erklärte er: »Die Großeltern meines
Mandanten waren keine praktizierenden Juden. Ihr Kollege hat sich damals um sie
gekümmert, sodass sie beschlossen haben, seine Religion anzunehmen.«
    »Warum wenden Sie
sich dann nicht jetzt auch mit Ihrem Anliegen an meinen Kollegen?«, fragte ich
verzweifelt. »Ich meine, wenn er sich um die Lewinskys gekümmert hat, dann kann
er doch vielleicht auch dem Enkel helfen! Ich bin neu in der Gemeinde, ich kann
gar nichts ausrichten.«
    Wieder folgte ein
Wortwechsel zwischen Idschdi und seinem Anwalt.
    »Mein Mandant bat
ausdrücklich darum, Sie zu konsultieren, nachdem der andere Kollege
bedauerlicherweise so plötzlich verstorben ist.«
    »Sie meinen Pastor
Hanning? Wusste Hanning von der Verwandtschaft zwischen Lewinskys und dem
Hausmeister?«
    Marie, die meine
Frage offensichtlich verstanden hatte, nickte.
    »Und Sie meinen,
dass ausgerechnet ich etwas bewirken könnte?«
    Die Eheleute sahen
mich erwartungsvoll an. Sie hielten noch immer Händchen und wirkten wie Kinder
bei der weihnachtlichen Bescherung, die hoffen, dass das Christkind das viel zu
teure Fahrrad doch noch bringt.
    Marie strich sich
über den schwangeren Bauch. Ich verstand. Hier ging es darum, einer jungen Familie
in guter Hoffnung zu einem angemessenen Obdach zu verhelfen.
    Seufzend versprach
ich: »Ich werde mein Bestes tun.«
    Die Suchtrupps
hatten die ganze Siedlung

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