Kohlenstaub (German Edition)
Sozusagen eine
Berufskrankheit.«
»Dann wissen Sie
ja, worum es geht. Diese junge Dame meint, sie wäre auf einer heißen Spur.« Das
klang eindeutig herablassend.
»Diese junge Dame
ist eine ausgesprochen kluge Person!«, verteidigte Luschinski mich.
»Wie Sie meinen.
Sie gefällt Ihnen wohl?« Kellmann blinzelte, ob vor Müdigkeit oder um seine
Worte als Scherz erscheinen zu lassen, blieb unklar.
Ich räusperte
mich. »Dürfte ich dazu auch mal etwas sagen?«
Jetzt wandten sich
die Blicke wieder mir zu. »Also erstens wüsste ich jetzt gerne endlich, wer die
Drohbriefe geschrieben hat. Stammen sie von dieser Schreibmaschine hier?« Ich
wies auf die IBM -Kugelkopfmaschine, die der
Kommissar an die Seite des Tisches geschoben hatte.
Kellmann nickte.
»Nicht alle, aber zum Teil. Mindestens zwei der Briefe sind hier getippt
worden. Das haben mir die Kollegen vorhin fernmündlich mitgeteilt. Eine leichte
Verschmutzung am kleinen ›e‹ hat den Beweis erbracht.«
»Welche Briefe
stammen denn von dieser Maschine und welche nicht?«
Er schob die
Lesebrille vom Kopf wieder auf die Nase und wirkte dabei wie ein harmloser
älterer Herr. »Hat das nicht Zeit bis morgen? Ich müsste es heraussuchen. Die
übrigen Schriftstücke stammen von einem ähnlichen Typ. Allerdings von einer
anderen Maschine.«
»Also könnte es
Rabenau gewesen sein, er hat Zugang zum Gemeindebüro.«
»Oder gar Ihr
Kollege Kruse?« Luschinski grinste belustigt.
»Der hat doch
selbst einen Brief bekommen!«
Kellmann schob die
Lesebrille erneut nach oben. »Würden Sie mich bitte jetzt weiterarbeiten
lassen, meine Herrschaften? Ich habe noch zu tun!«
Er wandte sich an
seinen Assistenten. »Du kannst auch gehen, wenn du willst. Morgen früh um
sieben bist du wieder hier!«
Zu dritt trotteten
wir zur Haustür. »Halt! Meine Kamera!«, rief Luschinski und ging zurück zum
Gemeindesaal. Der Assistent starrte vor sich hin, er machte nicht den mindesten
Versuch, ein Gespräch mit mir anzufangen.
Wenig später
erschien der Reporter wieder, bewaffnet mit seinem Fotoapparat und mit Kaminski
im Schlepptau.
»Fräulein Gerlach!
Würden Sie mir die Freude erweisen, Sie nach Hause zu begleiten?«, äußerte sich
der Lehrer.
»Na, dann müssen
Sie ja nicht alleine durch den Park!«, sagte Luschinski trocken. »Ich würde
nämlich gerne noch ins Eck gehen, einen trinken.«
»Ich komme mit«,
äußerte der Assistent.
Ich fühlte mich
ausgeschlossen, denn selbstverständlich konnte ich nicht mit den Männern in die
Kneipe gehen. Als lediges Fräulein hatte ich einen Ruf zu verlieren, und als
Pastorin sowieso.
Natürlich verstand
ich Luschinski. Er wollte weitere Informationen sammeln.
Trotzdem war ich
enttäuscht.
Es gab Tage, da gefiel
es mir nicht, eine Frau zu sein. Kaminski schien meinen Verdruss nicht zu
bemerken. Freundlich bot er mir den Arm und begleitete mich bis vor die
Haustür.
SECHZEHN
»Zur Feier des
Tages!« Rosi packte eine Flasche Wein aus und stellte sie auf meinen
Wohnzimmertisch. »Wenn du mich schon um eine so späte Uhrzeit anrufst und
herbittest! Oder sollte ich sagen: herbeizitierst?«
»Besonders
feierlich ist mir nicht zumute, Rosi. Ich brauche Unterstützung!«
»Kann ich mir
vorstellen. War alles ein bisschen viel die letzten Tage, nicht wahr? Jetzt hol
mal den Korkenzieher und zwei Gläser, damit wir anstoßen können!«
In der Küche
musste ich suchen, bis ich Weingläser fand. Schließlich förderte ich zwei
verschiedene zutage, eines mit einem grünen Fuß und ein kleines mit einer
Gravur im Kelch.
»Was anderes habe
ich nicht da«, entschuldigte ich mich, während Rosi den Korkenzieher in die
Flasche drehte.
»Was für eine
Sorte hast du mitgebracht?«
»Weiß ich nicht.
Gab’s im Sonderangebot.«
Ich füllte die
Gläser. »Prost. Auf die Kopfschmerzen morgen früh. – Musik?«, wollte ich wissen
und begab mich zum Plattenspieler. Als Rosi nickte, griff ich nach dem
Zufallsprinzip eine Vinylscheibe heraus.
»Das Musikalische
Opfer. Von Bach.«
»Opfer«, stimmte
Rosi zu und trank einen großen Schluck.
Wenig später
erklang Cembalomusik. »Erst nur eine Stimme, dann noch eine, und dann mehrere
zusammen«, beschrieb Rosi. »Und je mehr es werden, desto schräger klingt es.«
»Ja. Das ist wie
hier in der Siedlung. Erst wird an Ostern der Kollege tot aufgefunden, dann
gibt es anonyme Briefe, als Nächstes tote Kaninchen. Schließlich verschwindet
ein Junge.«
»Eben schräg!«,
fasste Rosi zusammen und
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