Kohlenstaub (German Edition)
Spiel gefreut«, sagte sie. »Die Schwarz-Gelben spielen doch heute. Ein
wichtiges Spiel.«
»Hier in
Dortmund?«, fragte ich entsetzt. Das würde die Suche nach Manni erheblich
erschweren.
»Nein, nicht hier.
Ein Auswärtsspiel.« Sie stützte das Kinn auf der Hand ab und sah so erschöpft
aus, wie ich mich fühlte. Und das, obwohl der Tag gerade erst angebrochen war.
»Der WDR überträgt heute Nachmittag das Spiel von Borussia
Dortmund gegen Alemannia Aachen«, hörte ich die tiefe Stimme eines Sprechers
aus dem Radio. »Austragungsort ist Hannover. Es geht um den DFB -Pokalsieg.«
»Bei
Auswärtsspielen hat er immer hier vorm Radio gesessen. Mit seinem Vater«, fuhr
die unglückliche Frau fort. Sie sprach von ihrem Sohn wie über einen
Verstorbenen.
»Manni?« Ich
wartete die Antwort nicht ab. »Vielleicht wird er bis heute Nachmittag
gefunden«, tröstete ich, doch ich glaubte selbst nicht recht daran. Und wenn
ja, in welchem Zustand? »Ist tot, ist tot, ist tot«, hallte der Alptraumchor in
meinem Kopf wider.
»Schläft Ihr Mann
noch?«
»Er hat getrunken
gestern Nacht«, informierte sie mich über eine Tatsache, die ich bereits
kannte.
»Sicherlich aus
Kummer«, verteidigte ich Herrn Jankewicz zu meiner eigenen Überraschung, und in
meiner Erinnerung tauchte das Bild des kräftigen Mannes auf, der nachts wie ein
Häufchen Elend vor der Wohnung zusammengesackt war.
»Manchmal trinken
sie zu viel, die Männer.«
Die Frauen auch,
dachte ich. Schließlich kam Rosis bleierner Schlaf nicht von ungefähr.
»Ich wünschte, ich
könnte Ihnen helfen, Frau Jankewicz!«
»Mir kann keiner
helfen«, erwiderte sie, und das klang so trostlos, dass ich mir die Antwort
sparte.
Beim Abschied
drückte ich ihr beide Hände.
»Bist du wach,
Rosi?«, rief ich, wieder im oberen Stock angelangt.
»Hast du eine
Tablette gegen Kopfschmerzen?«, kam die matte Gegenfrage.
Mit einer Tasse
mittlerweile lauwarmen Kaffees versuchte ich, meiner Freundin und Amtsschwester
auf die Beine zu helfen.
Rosi winkte ab.
»Ein Glas Wasser.«
»Leitungswasser?«
Rosi stöhnte nur.
Später, am
Küchentisch, erkundigte sie sich nach den nächtlichen Ereignissen.
»Soso«,
kommentierte sie, nachdem ich die Geschichte von dem betrunkenen Herrentrio
erzählt hatte, und legte eine Brotscheibe auf das Brettchen.
»Margarine?
Marmelade?«, bot ich an.
Rosi verzog das
Gesicht.
»Aber jetzt
vielleicht doch ein Kaffee?«
»Mit ganz viel
Büchsenmilch, bitte.«
Sie trank einen
Schluck von der hellbraunen Brühe. »Die nehmen dich nicht ernst, die Männer«,
stellte sie fest. »So wie sie über dich reden!«
»Da hast du wohl
recht. Der Kommissar wünscht mich dahin, wo der Pfeffer wächst.«
»Schön dumm«,
sagte Rosi und strich eine dünne Schicht Margarine auf das Graubrot.
»Schließlich bist du gut angekommen in der Siedlung. Für die kurze Zeit, die du
hier lebst. Die Leute mögen dich. Und sie vertrauen dir.«
»Findest du?«,
vergewisserte ich mich. Ich konnte einen Anflug von Stolz nicht unterdrücken.
»Aber sicher. Ich
wette, die Männer sind nur neidisch. Vor allem der Kollege.«
»Und Luschinski?«
Rosi sah mich
prüfend an. »Der Reporter?«
Ich nickte.
Rosi grinste. »Ein
Charmeur. Der mag die Frauen.«
Leichte Röte kroch
mir die Wangen hoch.
»Dich besonders!«,
schmunzelte Rosi.
»Giovanni!«, rief
ich überrascht, als ich die Gestalt von Mannis Kumpel auf den Stufen vor der
Haustür erblickte. »Was machst du hier? Weißt du, wo Manni ist?«
Der große
dunkelhaarige junge Mann schüttelte den Kopf. »Ni-ni-ni-nicht fi-fi-finden«,
stotterte er. Es war das erste Mal, dass ich ihn sprechen hörte. Schlagartig
wurde mir klar, warum er sonst schwieg.
»Komm mit!«,
forderte ich ihn auf. »Vielleicht kannst du bei der Suche helfen.«
Er trottete neben
mir her durch den Park. Den traurigen Ereignissen zum Trotz fuhr ein lauer
Frühlingswind durch die Blätter, die in frischem Grün erstrahlten. Gelbe Butterblumen
und unzählige Gänseblümchen tupften die Wiese.
Auf dem Platz am
Rand des Westparks stellte ein junger Mann zwei Eimer Wasser auf der Straße ab.
Langsam ließ er den Schwamm in eines der Gefäße gleiten, zog ihn voll und schwer
wieder heraus und wischte damit über die Windschutzscheibe seines blauen
Käfers. Die Wasserstreifen verursachten Schlieren auf dem staubigen Glas.
Eine junge Frau
mit toupiertem Haar und bunter Bluse klammerte Wäsche auf einer Leine fest. Nur
der Grauschleier auf den
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