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Kojoten am Rio Grande (Western-Reihe 'Die Al Wolfson-Chroniken') (German Edition)

Kojoten am Rio Grande (Western-Reihe 'Die Al Wolfson-Chroniken') (German Edition)

Titel: Kojoten am Rio Grande (Western-Reihe 'Die Al Wolfson-Chroniken') (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Bongardt
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an einem tief hängenden Ast einer Pinie fest und ging leise in die Richtung, aus der die Stimmen kamen. Wirklich anschleichen musste ich mich nicht: Die Männer schienen sich völlig sicher zu fühlen und lärmten, als seien sie im Saloon in El Paso. Zu meiner Überraschung hörte ich immer wieder auch ein paar Brocken in englischer Sprache. Ich war ein paar hundert Fuß weit gekommen, als ich die Männer sah. Sie waren, so weit ich das sehen konnte, zu sechst oder zu siebt, und mindestens vier von ihnen trugen diese albernen bunten Sombreros, die sich bei uns kein Mann in nüchternem Zustand auf seinen Kopf setzen würde. Bevor einer von ihnen in meine Richtung blickte, gelang es mir, in einer kleinen Baumgruppe zu verschwinden, durch die hindurch ich mich den Männern bis auf gut hundert Fuß nähern konnte, ohne dass sie mich sahen. Hätten sie geflüstert oder auch nur eine normale Lautstärke gewahrt, wäre es mir schwer gefallen, ihre Unterhaltung zu verstehen, aber ich sah, wie sie unter sich einen Trinkschlauch kreisen ließen, und je öfter der kreiste, desto lauter wurden die Männer.

    Mit einem Mal hörte ich wieder deutlich ein paar Wörter in englischer Sprache: „Hören Sie, Gentlemen, ich danke Ihnen für die nette Bewirtung, aber ich wüsste nun wirklich sehr gern, ob Sie diesen Mann, vom dem ich sprach, in dieser Gegend getroffen haben.“ Diese gestelzte Ausdrucksweise kannte ich: Von allen Männern aus Diggers Tomb hatten sie ausgerechnet Oscar Stilson hierhin schicken müssen. Oscar war der Barbier von Diggers Tomb, und sprach in seiner Frisierstube von morgens bis abends in diesem Tonfall. Dass in Diggers Tomb trotzdem niemand über ihn spottete, hatte er dem einfachen Umstand zu verdanken, dass er dort auch das Ziehen kranker Zähne besorgte, und es damit in der Hand hatte, wie viel Schmerz seine Patienten dabei leiden mussten. Er hatte sich wahrscheinlich freiwillig den Männern angeschlossen, die nach mir suchten, und um ihn nicht zu beleidigen, hatten sie ihn dorthin geschickt, wo sie mich am wenigsten vermuteten.

    Eine dunkel gekleidete, hochgewachsene und mit einem recht massigen Körper ausgestattete Gestalt erhob sich. Um den Hals schien der Mann eine Art Priesterkragen zu tragen, und das, was er sagte, passte auch irgendwie dazu:

    „Gringo! Ist dein Freund ein von Gott verfluchter Heide?“

    „Nein, er ist gewiss ein Christenmensch, wenn auch ebenso gewiss ein Sünder vor dem Herrn, das sagte ich Ihnen doch schon, Sir!“

    „Gringo! Wir sind auf einer Mission! Wir taufen die Heiden und führen sie direkt zum Herrn! Bist du schon getauft, Gringo?“

    „Selbstverständlich. Aber... Ihr seid Missionare?“

    Die Mexikaner brachen in Gelächter aus.

    „Ich will es dir erklären, mein Sohn! Wir kommen aus Chihuahua. Die weisen Männer der Regierung dort geben jedem, der einen Heiden tauft und zum Herrn führt, eine Belohnung: Für einen Mann geben sie dir 200 Pesos, für ein Weib 100, und für ein Kind 50. Und so haben wir in Chihuahua mit unserem Missionswerk begonnen, doch die Heiden sind vor der Erlösung geflohen, und so mussten wir ihnen hierher folgen.“

    „Und die Regierung zahlt auch für Heiden, die Ihr hier bekehrt? Sie können doch gar nicht nachhalten, wie viele auf euch gehört haben.“

    „Doch, das können sie. Weißt du, Gringo, wir müssen sie nicht bekehren, wir müssen sie nur zu Gott führen. Und das tun wir direkt bei der Taufe: Wir drücken sie so lange unter Wasser, bis sie der Welt entsagen und dem Herrn begegnen. Und damit die weisen Männer in Chihuaha wissen, wie viele es waren, schneiden wir ihnen danach den Skalp vom Schädel, und nehmen ihn mit. Das geht auch viel leichter, wenn der Kopf eine Zeit im Wasser gelegen ist. Es ist so einfach, die Heiden zum Herrn zu führen. Nur ihre Kleinen, die zappeln ziemlich lang.“

    Die Mexikaner lachten schallend. Oscar Stilson lachte nicht. „Ihr seid... Ihr seid... Skalpjäger!“

    „Du begreifst schnell, Gringo. Aber weißt du, ich glaube nicht, dass du ein Christenmensch bist. Du trägst das glatte dunkle Haar eines von Gott verfluchten Heiden! Companeros, wir feiern heute noch eine Taufe!“

    Die Männer erhoben sich grölend und lachend, zwei von ihnen packten Oscar bei den Armen und führten den zappelnden und schreienden Mann in Richtung auf das Ufer des Rio Grande zu. Oscar war hier, um mich zu jagen – aber er war vor allem einer von meinen Leuten. Jetzt war es also doch mein Krieg.

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