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Kokoschkins Reise

Kokoschkins Reise

Titel: Kokoschkins Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Schädlich
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schön?»
    Sachnowski sagte: «Ist es jemandem aufgefallen, daß die meisten Passagiere Senioren sind? Wir leben in einem schwimmenden Seniorenheim.»
    «Für mich», sagte Frank, «ist das Schiff ein Raum für mystische Gedanken.»
    «Zum Beispiel?» fragte Oakley.
    «Ich denke, daß es einen persönlichen Gott gibt, der mich unendlich liebt. Er tut alles, damit ich glücklich bin. Ich muß ihn nur lieben. Und ich liebe ihn. Er hat mir sogar zwei Schutzengel beigesellt.»
    «Glauben Sie das?»
    «Es ist bewiesen.»
    «Wie das!»
    «Ich war mit Lucy in Singapur. Dort hatte ich ihr einen kostbaren Ring gekauft. Am Morgen im Hotel legte Lucy den Ring im Badezimmer ab. Wir gingen zum Frühstück. Beim Kaffee fiel ihr plötzlich ein, daß sie den Ring im Badezimmer liegengelassen hatte. Wir eilten in unser Apartment, gingen ins Bad, und der Ring war weg. Lucy untröstlich. Ich sagte zu ihr: ‹Es wird alles gut.› Wir gingen zurück in den Frühstücksraum. Plötzlich sieht Lucy den Ring neben ihrem Stuhl auf dem Fußboden liegen! Ich sagte: ‹Das haben meine Schutzengel gemacht!› Seitdem glaubt Lucy auch.»
    «Ganz fest!» sagte Lucy.
    Niemand sagte etwas.
    Frank sagte: «Ein anderes Beispiel: Wir fahren mit dem Auto von Richmond in die City zum Museum. Ich ahne schon, daß ich keinen Parkplatz finden werde. Plötzlich, vorm Museum, verläßt ein Wagen den Parkplatz, und ich kann direkt vor dem Museum parken. Das haben meine Schutzengel für mich gemacht.»
    «Warum sind es zwei Schutzengel?» fragte Sachnowski.
    «Sie stehen mir bei, einer links und einer rechts.»
    Oakley sagte: «Jemand anderem haben sie nicht beigestanden.»
    «Wie meinen Sie das», sagte Lucy.
    «Seit gestern wird jemand vermißt.»
    «Ein Passagier?»
    «Eine Passagierin.»
    «Wo könnte sie sein.»
    «Auf dem Schiff oder bei den Fischen.»
    «Kostenlose Seebestattung», sagte Sachnowski.
    «Ich bitte Sie», sagte Frank. «Diesen Satz hätten Sie sich wirklich sparen können. Sie sind Musiker. Aber Sie sind geschmacklos.»
    «Wenn das Ihr Kriterium für Geschmack ist.»
    Lucy sagte: «Woher weiß man, daß die Frau vermißt wird.»
    «Woher! Woher!» sagte Oakley. «Ihr Mann hat sie als vermißt gemeldet. Es ist übrigens ein großer Herr aus den oberen Etagen.»
    «Was heißt das.»
    «Er wohnt in einer Royal Suite am Bug. Großer Ausblick aufs Meer. Marmorbad und Whirlpool. Concierge- und Butlerservice. Man speist im Restaurant Queens Grill.»
    Sachnowski sagte: «Ich bin gestern ins Restaurant Queens Grill gegangen. Der Kellner fragte mich: ‹Haben Sie reserviert?› Ich: ‹Nein.› Der Kellner: ‹Dann tut es mir leid›, und er komplimentierte mich hinaus. Im Queens Grill speisen die Passagiere der Kabinen-Kategorien Q Sieben bis Q Eins: ab siebentausend Euro aufwärts.»
    «Bis?» fragte Lucy.
    «Siebenundzwanzigtausend Euro. Das ist eine Grand Duplex Suite, zweistöckig, zweihundert Quadratmeter.»
    «Wohin könnte die Frau sein, wenn sie nicht im Wasser ist», sinnierte Lucy.
    Oakley sagte: «In einer Kabine. Eines anderen Mannes. Vielleicht hat sie ihren Ehemann verlassen. Oder der andere Mann hat sie gewaltsam in seine Kabine gebracht.»
    «Dann könnte sie um Hilfe rufen.»
    «Nicht, wenn sie betäubt ist. Oder tot.»
    «Sagen Sie nicht so etwas.»
    «Vielleicht ist sie aber über Bord gegangen.»
    «Freiwillig?»
    «Warum nicht. Es gibt viele Gründe. Und nichts geht leichter, als nachts mitten auf dem Atlantik von der Reling ins Meer zu springen.»
    «Furchtbar.»
    «Oder sie ist ins Meer gestoßen worden. Vielleicht sogar von ihrem Ehemann, der sie anschließend als vermißt meldet.»
    Sachnowski sagte: «Vielleicht vermißt er sie.»
    Frank blickte Sachnowski mißbilligend an.
    «Wie nun weiter», sagte Lucy.
    Oakley sagte: «Befragungen, Durchsuchungen. Es ist übrigens eine Deutsche   …»
    «Wie alt?»
    «62   Jahre.»
    Sachnowski sagte: «Wie im richtigen Leben.»
    Kokoschkin fragte Olga Noborra, ob sie sich am Abend im Royal Theatre eine Tanzshow ansehen wolle. Extravaganz aufregender Stile aus der ganzen Welt, heiße es.
    «Nur im äußersten Notfall   …»
    «Von   …»
    «Langeweile.»
    «Um diesen Notfall handelt es sich.»
    Olga Noborra lachte. «Also gut.»
    «Zwanzig Uhr fünfundvierzig.»
     
    In Churchill’s Cigar Lounge saßen drei Raucher. Kokoschkin fragte den Mann, der Fabrikanlagen in Entwicklungsländern baut, ob er sich zu ihm setzen dürfe.
    «Aber gerne.»
    Kokoschkin zündete sich eine Juan

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