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Koks und Karneval

Koks und Karneval

Titel: Koks und Karneval Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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zu urteilen, war das Ohrenabschneiden noch das mindeste, was ihnen blühte.
    »Meine Fresse«, brüllte Spider, »das ist eure letzte Chance! Rückt den Koffer raus, und wir machen fifty-fifty, oder der Kolumbianer macht euch kalt!«
    »Gebongt«, sagte Nina und drehte sich um.
    Susi sah sie fassungslos an. »Bist du denn völlig ausgerastet? Wir haben den …«
    »… Koffer auf dem Dach versteckt«, fiel ihr Nina ins Wort und deutete mit dem Daumen nach draußen. »Aus Sicherheitsgründen. Schließlich ist die halbe Stadt hinter dem Koks her, und dem Rest ist sowieso nicht zu trauen.«
    »Na endlich«, knurrte Spider. »Ich wußte doch, daß man vernünftig mit euch reden kann. Aber ich warne euch – wenn das irgend so ein verdammter Trick ist und ihr mich linken wollt …«
    »Wir haben noch nie jemand gelinkt«, behauptete Nina dreist und blinzelte Susi angestrengt zu. »Der Koffer liegt rechts vom Fenster, unter einer Dachpfanne, direkt an der Regenrinne. Ich schlage vor, du kletterst raus und …«
    »Meine Fresse, ich bin doch nicht bescheuert und steig’ aufs Dach!« Er lachte höhnisch. »Das könnte euch Schnallen so passen, was? Sobald ich draußen bin, macht ihr das Fenster zu, und morgen kann man mich vom Altermarkt aufkratzen. Aber nicht mit mir. Du kletterst raus und holst den Koffer, kapiert?«
    »Allein schaffe ich das nicht. Susi muß mit raus und mir helfen.«
    Susi schnappte hörbar nach Luft. »Ich? Ich soll aufs Dach steigen? Jetzt? In meinem Zustand? Du mußt wahnsinnig sein, wenn du glaubst, daß ich auf dem Dach rumturne. Außerdem möchte ich wirklich wissen, was …«
    Aber Nina hörte bereits schwere Schritte im Treppenhaus. Es konnte nur noch Sekunden dauern, bis Lorcaz und Hoballa die Tür eintraten und alles massakrierten, was sich nicht draußen auf dem Dach versteckte. Sie packte Susi am Arm, zerrte sie trotz ihrer hysterischen Proteste zum Fenster, trat ihr die Beine unter dem Hintern weg und kippte sie nach draußen.
    Spider lachte begeistert, Susi schrie wie am Spieß, und die unheilvollen Schritte im Treppenhaus wurden immer lauter.
    »Verdammt, sei still«, zischte Nina. »Der Kolumbianer steht vor der Tür. Wenn wir nicht sofort aufs Dach verschwinden, sind wir beide tot!«
    Susi gurgelte, warf einen entsetzten Blick zur Tür und flog dann fast durch das Fenster. Nina kletterte hastig hinterher und hielt sich mit einer Hand am Verschlag und mit der anderen an Susi fest. Sie konnte nur hoffen, daß ihre Kusine der Belastung gewachsen war.
    Aus der Wohnung drang Spiders argwöhnisch klingende Stimme. »He, was ist los? Wollt ihr die ganze Nacht auf dem Dach bleiben? Habt ihr den Koffer, oder muß ich …«
    Der Rest des Satzes ging in einem lauten Krachen unter.
    Denn Jorge Gabriel Lorcaz war nicht in der Stimmung, um bei den zorras, die ihm den Kokskoffer geklaut hatten, höflich anzuklopfen, und hatte kurz entschlossen die Tür eingetreten. Die entsicherte Tec-9-Maschinenpistole feuerbereit in den Händen, das dunkle Gesicht von Haß und latenter Gewaltbereitschaft entstellt, den diabolisch grinsenden und zu allem entschlossenen Charly Hoballa im Schlepptau, stürmte er in die Wohnung, um alles zu massakrieren, was sich nicht draußen auf dem Dach versteckte.
    Zum Glück konnte Nina nicht sehen, was sich im Zimmer abspielte, aber was sie hörte, reichte ihr schon.
    »Zorras! Fulanas! Mi maleta!«
    »Arschklar, amigo, keine Gnade!«
    »Meine Fresse! Na warte, du Kanake!«
    Die Magnum donnerte los. Irgend etwas zerbarst in einer dumpfen Implosion; wahrscheinlich der Fernseher. Dann hämmerte die MPi. Vasen und Spiegel zerklirrten, die Scheibe des offenen Fensters zerplatzte in tausend Stücke, und die übrigen Kugeln durchsiebten hörbar Möbel und Wände.
    »Scheiße«, wimmerte Susi, »die bringen sich ja um!«
    »Au jau«, zischte Nina, »die ruinieren uns die Bude, und du machst dir Sorgen um ihr Leben!«
    Weitere Schüsse fielen, untermalt von Schreien, Flüchen und brutalen Drohungen. Nina begann sich allmählich Sorgen zu machen. Sie hatte nicht das Gefühl, daß sie sich noch lange auf dem Dach halten konnten. Außerdem mußte sie an ihre Nachbarn denken. Wie sollte sie ihnen diesen Krieg im Dachgeschoß erklären? Und was würde die Polizei dazu sagen?
    Sie holte tief Luft und schrie kurz entschlossen: »Vorsicht, die Bullen kommen!«
    »Scheiße, auch das noch!« jammerte Susi, die die Situation wieder einmal völlig falsch einschätzte.
    Aber sie war nicht die

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