Koks und Karneval
Dachgeschoßwohnung hoch über dem Altermarkt ebenfalls. Der Profizocker und Zuhälter Klaus-Dieter Spiderowsky, genannt Spider, der den Daumen auf den Klingelknopf drückte und entschlossen war, so lange zu drücken, bis die Tür geöffnet wurde, hatte sich, ohne daß er es wußte, den denkbar ungünstigsten Zeitpunkt ausgesucht, um mit dem Duo Infernale über seinen gerechten Anteil am Erlös des Kokskoffers zu verhandeln.
Erstens hatten die beiden den Kokskoffer sowieso nicht mehr, zweitens lag Nina schlaff und totenbleich auf ihrem Bett und würgte an den fünfzehn Kölsch und Korn, die sie auf dem Funken-Biwak gekippt hatte, und drittens hing Susi sturzbetrunken mit dem Kopf im Klo und wartete auf den erlösenden Tod.
Für Spider wäre es gar kein Problem gewesen, ihren Wunsch zu erfüllen.
In der rechten Hand hielt er eine geladene und entsicherte .357er Magnum, in der linken ein mit Bleischrot gefülltes und beidseitig verschweißtes Kupferrohr, und in seiner nagelneuen rechten Socke steckte ein extra scharfes, extra langes Stilett – außerdem war er stocknüchtern und schon von daher den beiden Punkerinnen einen entscheidenden Schritt voraus.
Er klingelte besessen weiter.
Susi zog den Kopf aus dem Klo, stand schwankend auf, stolperte fast über ihre eigenen Beine, torkelte zur Tür, riß sie auf und schaute direkt in die Mündung der geladenen und entsicherten .357er Magnum, die ihr Spider grußlos vor die Augen hielt.
»Wo ist der Koffer, du Tier?« zischte er. »Meine Fresse, ich meine es ernst!«
Susi röchelte entsetzt.
Spider lachte brutal, trat in die Wohnung, knallte die Tür hinter sich zu und schubste Susi ins Zimmer, wo Nina auf dem Bett und im Sterben lag. Nina öffnete zaghaft ein Auge, sah, wer gekommen war und was er mitgebracht hatte, und machte das Auge sofort wieder zu. Sie war momentan nicht in der Verfassung, einer geladenen und entsicherten .357er Magnum ins Auge zu sehen. Außerdem war Susi alt genug, um zu wissen, daß frau fremde Männer nicht so einfach in die Wohnung lassen sollte, und wenn doch, dann nur auf eigenes Risiko.
»Scheiße, Scheiße, Scheiße!« sagte Susi verzweifelt. »Bist du denn völlig übergeschnappt, Spider? Du willst mich doch nicht wirklich erschießen, oder? Ich meine, ich habe dir doch nichts getan!« Hilfesuchend blickte sie zu ihrer Kusine hinüber. »Verdammt, Nina, sag doch was!«
Aber Nina würgte nur.
»Okay«, keuchte Spider erregt und stopfte sich das bleigefüllte Kupferrohr in den Hosenbund. »Okay, ihr Schnallen, wo ist der Koffer?«
»Was für ein Koffer?« fragte Susi, und das hätte sie besser nicht getan.
Spider schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht. Betrunken, wie sie war, kippte sie nach hinten und landete auf dem Bett. Die Erschütterung war mehr, als Ninas gestörter Gleichgewichtssinn ertragen konnte. Sie rutschte über die Bettkante und plumpste auf den Boden.
»Au jau!« brabbelte sie empört. »Wenn du das noch mal machst, Kusinchen, kannst du ausziehen und dieser Spinner ebenfalls!«
»Meine Fresse!« brüllte Spider. »Hier zieht sich keiner aus! Sex, Sex, Sex – an was anderes könnt ihr Schnallen gar nicht denken, was? Das ist kein Überfall, sondern ein Geschäft, kapiert? Ich will den Kokskoffer, und ich will ihn sofort! Ich weiß, daß ihr ihn habt! Also raus damit, oder muß ich erst eine von euch kaltmachen? Ja? Wollt ihr das?«
Er keuchte noch um eine Umdrehung erregter und fummelte hektisch an dem bleigefüllten Kupferrohr in seinem Hosenbund, bis ihm klar wurde, daß er das falsche Rohr erwischt hatte. Mit einem wüsten Fluch zog er es wieder heraus und schleuderte es aus dem offenen Fenster.
Vier Stockwerke tiefer brach ein harmloser Jeck wie vom Blitz getroffen zusammen.
Susi heulte los. »Aber ich komme doch vom Land! Ich kann doch gar nichts dafür! Außerdem haben wir den Koffer nicht mehr. Scheiße, Nina, so tu doch was!«
Nina zog sich am Bett hoch, wankte ans Fenster und übergab sich in die Dachrinne. Sie fühlte sich so schwach und elend, wie sich kein Mensch fühlen sollte, und sie war ziemlich sicher, daß sie einer Diskussion über den Verbleib des Kokskoffers nicht gewachsen war.
»Okay, du Tier«, zischte Spider, drückte Susi die Magnum an den Kopf und spannte den Hahn. »Ich frage dich zum letzten Mal: Wo ist der Koffer!«
Susi heulte nur noch lauter. »Scheiße, ich hab’ doch schon gesagt, daß wir den Koffer nicht mehr haben! Der Antennenmann hat ihn geklaut – Bernie
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