Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Koks und Karneval

Koks und Karneval

Titel: Koks und Karneval Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
Vom Netzwerk:
einzige, die auf Ninas Trick hereinfiel. In der Wohnung wurde es abrupt still. Dann brach eine mittlere Stampede aus, und eine halbe Minute später sah Nina, wie Lorcaz, Hoballa und Spider aus dem Haus und in verschiedene Richtungen über den Altermarkt flohen.
    Sie packte ihre Kusine, zerrte sie zurück in die verwüstete Wohnung und raffte auf die Schnelle ihre Karnevalskostüme, Geld und zwei Flaschen Schnaps zusammen. Die Eile erwies sich als geboten – von fern näherte sich bereits Sirenengeheul. Zweifellos hatte einer der Nachbarn die Polizei alarmiert.
    »Au jau«, zog Nina verbittert Fazit, »jetzt sind die Mafia und die Bullen hinter uns her, unsere Wohnung ist ein einziges Schlachtfeld, und den Koffer haben wir auch nicht. Tolle Leistung, Kusinchen.«
    Susi heulte los. »Aber ich kann doch nichts dafür! Scheiße, was machen wir denn jetzt?«
    »Zunächst einen Abgang – und dann …« In Ninas Augen glitzerte es böse. »Dann suchen wir Bernie Barnovic und holen uns den Koffer zurück. Au jau!«

 
     
Sonntag
----
     
    »Ömbrenge wor noch nie ne jode Rot.«

 
10
----
     
    Dies war der Tag der Pänz, der Schull- un Veedelszöch [9] , der Tag, wo sich der Frohsinn in den Vierteln austobte, dort wo jeder jeden kannte und ein Nachbar mehr als nur ein Name an der Klingelleiste war. Es war der eine Tag im Fastnachtstreiben, der ganz exklusiv und ungeniert den Lück vun Kölle – Alaaf! – gehörte.
    Ob in Nippes oder Kalk, in Bilderstöckchen oder Sülz, rund um den Dom oder auf der Schäl Sick – die kölsche Fastelovendsfamilie feierte heute im engsten Familienkreis von schätzungsweise hunderttausend Leutchen den Fastelovend op dr Stroß. Auch im kölschesten aller kölschen Viertel, dem Vringsveedel rund um den Chlodwigplatz, war – wie jedes Jahr – die Hölle los. Am Rosenmontag würden sich Millionen Karnevalstouristen zwischen Dom und Severinswall drängen, doch am Sonntag war man mehr oder weniger unter sich – und gerade deshalb waren die Straßen voll.
    Ganz nebenbei war dieser Sonntag auch der große Tag des kleinen Bernie Barnovic. Dies sollte für ihn der Tag der Wahrheit und des Zorns werden, und es war wirklich ein Segen, daß Bernie nichts davon ahnte, als er sich auf die Straße wagte. Nach dem Gespräch mit Petrus in der Streusalzkiste war er ohnehin in einer Verfassung, die einen weniger zähen Burschen dazu bewogen hätte, den Rest des Jahres im Krankenhaus zu verbringen: Seine Augen waren blau geschwollen, sechzig Prozent seiner Körperoberfläche grün verfärbt, und seine Kosmische Antenne war verbogen und entstellt wie eine depressive Sprungfeder.
    Zum Glück hatte Petrus inzwischen ein neues Opfer auf seiner Liste: Tommy Zet, den verräterischen Rettungshubschrauber, der sich mit dem Kokskoffer aus dem Staub gemacht hatte – vorausgesetzt, die Kamikazes hatten ihn nicht erwischt. Und so, wie Bernie die Kamikazes kannte, hatten sie ihn bestimmt erwischt.
    Deprimiert schob sich Bernie eine Handvoll Erdnüsse in den Mund und bog in die Severinstraße ein, wo sich die jecken Eltern des Vringsveedels am Straßenrand drängten und ihren kostümierten Pänz zuprosteten, die singend und lachend Richtung Chlodwigplatz zogen und aussahen, als gäbe es kein Unglück auf der Welt. Mit hängendem Kopf und traurig wippender Antenne schlich Bernie weiter.
    Am Severinskirchplatz hatte ein geschäftstüchtiger Batman einen Bierstand aufgemacht und verdiente sich an den durstigen Kehlen der Südstadt eine goldene Pappnase. Bernie drängte sich durch die schunkelnde Menge und hielt Ausschau nach einem bekannten Gesicht, bei dem er ein paar Kölsch schnorren konnte, doch natürlich lagen all seine Bekannten noch im Bett und schliefen ihren Rausch aus.
    Resigniert wandte sich Bernie ab – und knallte mit dem Kopf gegen einen kleinen schwarzen Aktenkoffer.
    Er starrte den Koffer an.
    Es war unmöglich.
    Er mußte träumen.
    Vor ihm schwebte zweifelsfrei der Kokskoffer.
    »’tschuldigung, Kleiner«, dröhnte eine gurgelnde Stimme von oben herunter. »Hoffentlich haste dir nicht weh getan. Wie wär’s mit einem Kölsch auf den unverhofften Schreck?«
    Bernie schluckte, und das lag nicht nur an seinem Durst. Mit beinahe übermenschlicher Kraftanstrengung gelang es ihm, die Augen von dem schwarzen Leder abzuwenden, den Kopf in den Nacken zu legen und dem Mann, der den Koffer in der Hand hielt, ins Gesicht zu sehen.
    »O je, o je, o je!« sagte er.
    Der Zombie mit dem leichig-fahlen Teint, den

Weitere Kostenlose Bücher