Koks und Karneval
geklaut hatten, dafür aber hatte die örtliche Tageszeitung eine Hetzkampagne gegen ihn inszeniert.
Ein Artikel wie der Express- Bericht über die WIEVERSCHLACHT IM HAUPTBAHNHOF wäre daheim in Medellín nicht erschienen; in Medellín hätte es kein Zeitungsschmierer gewagt, ein Mitglied des Drogenkartells derart lächerlich zu machen, und wenn doch, dann hätte Jorge Gabriel Lorcaz den verantwortlichen Journalisten bei lebendigem Leib gehäutet und an den Eiern aufgehängt und die übrige Redaktion mit einer Autobombe zum Schweigen gebracht.
Er mußte damit rechnen, daß inzwischen die halbe Unterwelt von Köln hinter seinem Kokskoffer her war, während die andere Hälfte nur auf eine Gelegenheit wartete, ihn bei der Polizei zu verpfeifen. Und er konnte nur hoffen, daß sein verschwundener Landsmann und entfernter Verwandter Mario Louis Barrera weder zu der einen noch zu der anderen Hälfte gehörte.
Gerade als er bei diesen finsteren Überlegungen angelangt war, entdeckte er Christiane Hylf auf der Straße. Er beugte sich äußerst interessiert nach vorn und verhedderte sich mit dem M-16-Sturmgewehr in der Gardine. Die Gardinenstange löste sich aus der Verankerung und fiel ihm auf den Kopf. Benommen kippte er nach vorn und konnte sich nur im letzten Augenblick am Fensterrahmen festhalten.
»Madonna!« keuchte er.
Und das war nicht nur so dahergesagt.
Noch nie hatte eine Frau eine derart umwerfende Wirkung auf ihn gehabt. Noch nie hatte er so viel Bein, so viel Blond und so viel Frau bei einer Frau erlebt. Nicht daheim in Medellín und in Köln schon gar nicht.
Die Kölner Frauen, die er bisher kennengelernt hatte, waren entweder fett und mörderisch gewesen wie die Micky-Maus-Matronen vom Hauptbahnhof, brutal und durchtrieben wie die Kofferdiebinnen oder häßlich und verrückt wie die kreischenden Wiever, die während der Weiberfastnacht die Innenstadt unsicher gemacht hatten.
Diese langbeinige, vollbusige Blondine dagegen in dem superkurzen Lederrock und der superknappen Lederbluse, die auf ihren hochhackigen Schuhen über die Straße stöckelte, als wäre der Sex eigens für sie erfunden worden und die Welt nur dazu da, um ihr zu Füßen zu liegen …
»Madonna!« keuchte Lorcaz noch einmal.
Wie hypnotisiert beobachtete er den Schwung ihrer Hüften, das Hüpfen ihrer Brüste und das Klimpern ihrer Wimpern und stellte sich all die grausamen Dinge vor, die ein Mann wie er mit einer Frau wie ihr machen konnte. Lüstern grunzend träumte er, daß es klingelte, er die Tür öffnete und die blonde Göttin vor ihm stand, bis sie, überwältigt von seiner männlichen Erscheinung, sich zitternd die Kleidung vom Leib riß, an seine nackte behaarte Brust sank und …
Es klingelte überraschend.
Lorcaz war so in seine erhitzten Phantasien vertieft, daß er vor Schreck fast den Abzug des M-16-Sturmgewehrs durchgezogen und die Decke durchsiebt hätte.
Er starrte die Tür an.
»Madonna!« keuchte er zum dritten Mal.
Es klingelte erneut.
In Lorcaz’ nackter haariger Brust kämpften zwei Seelen. Einerseits durfte niemand erfahren, daß er bei Mario Luis Barrera untergeschlüpft war; andererseits wurde es höchste Zeit, daß er sich das Warten auf den Kokskoffer irgendwie versüßte, und die blonde Göttin schien dafür besser geeignet zu sein als jedes andere Mittel.
Außerdem war er im Besitz eines M-16-Sturmgewehrs, der Tec-9-Maschinenpistole, der beiden Splitterhandgranaten aus Bundeswehrbeständen, von 500 Schuß Langwaffenmunition der Firma Remington – und er war gnadenlos entschlossen, sein gesamtes Waffenarsenal einzusetzen, sollte er auch nur die Andeutung eines Verrats wittern.
Er marschierte zur Tür und riß sie auf.
»Madonna!« keuchte er – wieder einmal – beim Anblick von Christiane Hylfs üppigen Brüsten, die sich direkt vor seinen Augen befanden.
»Oh, oh, oh!« erwiderte Christiane Hylf verzückt, die mit feuchten Augen auf Lorcaz’ krausen Haarschopf und in die Mündung des M-16-Sturmgewehrs hinunterblickte. Als er den Kopf hob und ihr sein kantig-hartes Gesicht mit der verwegenen Narbe darbot, die sich vom linken Auge bis zum Kinn zog, war es endgültig um sie geschehen.
Ihre Knie wurden weich.
In ihrem Kopf drehte sich alles.
Zitternd riß sie sich die Lederbluse vom Leib und wäre wahrscheinlich auch an seine nackte haarige Brust gesunken, aber dafür war er nun wirklich zu klein …
Einige Stunden später und nur hundert Meter Luftlinie entfernt, klingelte es in einer
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