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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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erzählt, dass ich eine Zeit lang in Costa Rica war, in einer Forschungsstation. Nun, es gibt in Costa Rica nicht nur diese Station, es gibt auch ein Projekt zur Rettung des Regenwaldes. Es nennt sich
Regenwald der Wiener
und ist eine tolle Sache. Ihr könnt Regenwald kaufen, einen Quadratmeter, zehn, hundert, kommt drauf an, wie viel Geld ihr habt, und dieser Regenwald bleibt so, wie er ist. Er wird nicht gerodet oder sonst wie verändert. Mit dieser Million, um die ich die Wienerinnen und Wiener bitte, werde ich mehr als zehn Quadratkilometer Regenwald kaufen. Und dieser Regenwald wird uns allen gehören, jedem einzelnen Wiener und jeder einzelnen Wienerin.“
    In die Demonstranten hinter der Absperrung kam Bewegung, sie skandierten Baumgartners Namen und versuchten durch den inzwischen verstärkten Polizeikordon zu brechen, was die Beamten mit Müh und Not zu verhindern wussten.
    â€žIch möchte dieses Geld bis spätestens heute Nachmittag, vierzehn Uhr, haben, hier in dieser Fabrik, schöne große Scheine, in einem schicken Koffer. Und, meine lieben Freunde von der Polizei: Sollte das Geld nicht pünktlich hier sein oder sollte die WEGA erneut einen Versuch unternehmen, die Fabrik zu stürmen, werde ich die Bombe zünden. Das ist ein Versprechen.“
    â€žSie hätten Baumgartner einen Job als Pressesprecher anbieten sollen“, sagte der Umweltstadtrat mit einem breiten Grinsen und in den Nacken gelegtem Kopf zu Patrick Berger. Er senkte den Blick und musterte sein Gegenüber in diesem schicken, mittlerweile ein wenig zerknitterten Anzug, die Haare hingen ihm in die Stirn, sein linker Fuß tippte in unregelmäßigen Abständen auf den Teppich, kurz, er musterte ein Wrack und er verspürte keinerlei Mitleid. Er trank einen Schluck von seinem Whiskey, schmatzte genüsslich und sagte: „Mein Gott, der Junge hat Sie über den Tisch gezogen, und zwar nach Strich und Faden. Diese Strategie ist einfach genial.“
    â€žDas klingt ja fast so, als würden Sie ihn bewundern“, sagte Bergerund streifte sich die Haare aus der Stirn. Diese letzten paar Minuten waren die Hölle für ihn gewesen. Zu sehen, wie Baumgartner die Menge mit seiner natürlichen Art in seinen Bann gezogen hatte, war schon schlimm gewesen, aber zu erkennen, dass er aus einem kriminellen Akt, dem Erpressen von Geld, eine Art heroische Tat zugunsten der Umwelt fabrizierte, das war bei Berger eingeschlagen, als hätte er eine Splittergranate verschluckt. Das Geniale an Baumgartners Forderung, und dass sie genial war, da stimmte er dem Umweltstadtrat, zumindest im Stillen, zu, das Geniale war, dass er das Geld für etwas zu verwenden gedachte, das allen am Herzen lag, und dass er dieses Geld gerade
nicht
von seinem Gegner, von Patrick Berger, verlangt hatte, sondern von der gesamten Bevölkerung Wiens, als Spende sozusagen. Wie man es auch drehte und wendete, Baumgartner stand immer gut da. Und dieser verdammte Behälter befand sich nach wie vor in der Fabrik. In der Fabrik, die die WEGA jetzt ganz sicher nicht erneut stürmen würde. Es sei denn, jemand lieferte ihnen einen triftigen Grund dafür.
    Berger prostete dem Umweltstadtrat mit einem imaginären Becher zu, sein Lächeln so schmal wie eine Rasierklinge, und sagte: „Freuen Sie sich nicht zu früh. Noch hat Baumgartner nicht gewonnen.“
    Während Dolores Hightower allen erklärte, wie genial Baumgartners Strategie sei, war ein leichter Wind aufgekommen, der für angenehme Kühlung sorgte, die Stromleitungen für die Straßenbahnen über ihren Köpfen zum Singen brachte und von den flachen Kieshügeln, auf denen die Stapel mit Bauholz standen, nebelgleiche Staubwolken aufwirbelte. Widmaier hielt sich ein wenig abseits, lehnte sich an eine der Holzbaracken, die neben der Friedhofsmauer kauerten wie müde Tiere, und telefonierte mit seiner Frau. Schließlich verstaute er sein Handy in der Hosentasche und kam mit einem zufriedenen Grinsen zu Drechsler herübergeschlendert, der auf ein paar übereinandergestapelten Ziegelsteinen hockte, eine seiner Nelkenzigaretten rauchte und gedankenverloren in die Dunkelheit starrte.
    â€žMöchte wissen, was die hier bauen“, sagte Widmaier, während erauf die ganzen Baumaterialien rings um sie herum deutete und sich gegenüber von Drechsler auf einem Ölfass niederließ, das unter seinem Gewicht ächzte.
    â€žKeine

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