Kolibri
Ahnungâ, sagte Drechsler, ohne den Kopf zu drehen, und nahm noch einen Zug von seiner Zigarette.
Widmaier wartete ein paar Sekunden, aber von Drechsler kam nichts mehr, deshalb sagte er: âSchönen Gruà von Karin.â
Drechsler schaute seinen Freund und Kollegen an und sagte: âDanke, gleichfalls. Alles in Ordnung mit ihr?â
Widmaier grinste. âSie macht sich Sorgen, klar, aber ich hab sie beruhigt.â
Drechsler stand auf, trat die Zigarette aus und ging zurück zu Hightower und Kollaritz, dem Nubia nicht von der Seite wich. Widmaier trottete schweigsam hinter ihm her, die Hände tief in den Taschen vergraben.
âAlles in Ordnung?â, fragte Kollaritz.
Drechsler kraulte Nubia hinter den Ohren, was dieser ein zufriedenes Grunzen entlockte, setzte ein fragiles Lächeln auf und zuckte mit den Schultern. âIch mach mir eben Sorgen um sieâ, sagte er und deutete mit dem Kinn hinüber zur Fabrik.
âKarl tut ihr nichts, Sie haben ihn doch selbst gehörtâ, sagte Kollaritz.
âStimmt.â
âGlauben Sie ihm nicht?â
âDoch, ich glaube ihm schon.â
âAber?â
âNichts aber. Mir wär einfach lieber, Maria wäre hier bei mir und nicht dort drüben in der Fabrik.â
Kollaritz betrachtete Drechsler ein paar Sekunden lang schweigend, ehe er sagte: âDer Karl und die Maria waren früher einmal zusammen.â
âWas?â, fragte Drechsler und hob den Kopf.
âSie haben sich vor rund einem Jahr getrennt, kurz bevor Karl nach Costa Rica gegangen ist.â
Drechsler nickte zaghaft und versuchte auszuloten, was es bedeutete, dass der Bombenleger jetzt eine Geisel hatte, mit der er vor nicht allzu langer Zeit zusammen gewesen war. âGlauben Sie deshalb, dass Baumgartner ihr nichts tut?â
âJaâ, sagte Kollaritz bestimmt. âSie müssen sich keine Sorgen machen.â
Drechsler kratzte sich am Bart und dachte nach. Jetzt war ihm einiges klar, zum Beispiel, warum Maria keine Angst gehabt hatte, in eine Fabrik, in der sich ein Bombenleger verschanzt hatte, einzudringen. Sie hatte ihn, als er auf der Terrasse gestanden war, natürlich erkannt. Vermutlich hatte Kollaritz Recht, Baumgartner würde seiner Exfreundin nichts antun, aber plötzlich quälte Drechsler ein ganz anderer Gedanke: Lief da vielleicht etwas zwischen Baumgartner und Maria? Und falls ja, was genau?
Hightower, die die letzten paar Minuten damit zugebracht hatte, in ein winziges Mobiltelefon zu murmeln, unterbrach Drechslers Grübeleien. Sie klappte das Telefon zu und wandte sich an die drei Männer. âOkay, meine Lieben, anscheinend wissen die Herren ganz oben nicht, wie sie in dieser kurzen Zeit eine Million Euro in Fünfzigcentstücken sammeln und anschlieÃend in Scheine umwechseln sollen, deshalb ist jetzt meine Wenigkeit gefragt.â
âSie haben eine Idee?â, fragte Kollaritz.
âDarling, deshalb bin ich hier. Natürlich habe ich eine Idee, und zwar eine sehr gute.â Sie drehte sich um, schaute hinüber zur Absperrung und sprach über die Schulter weiter. âIn Kürze müsste ein schicker Wagen da vorne auftauchen und mich abholen.â
âSie gehen schon?â, fragte Kollaritz und war selbst überrascht, wie deutlich die Enttäuschung aus seiner Stimme zu hören war.
Hightower ging zu ihm hin, tätschelte seine Wange und sagte: âIch muss, aber ich komme wieder, ich versprechâs. Sie können inzwischen auf meinen Hund aufpassen.â
Kollaritz, dessen Wange wie Feuer brannte, nickte und stammelte: âOkay, gut, mach ich.â
Hightower verabschiedete sich von den Männern, drückte Nubiaeinen Kuss auf die Schnauze und bahnte sich einen Weg durch die Polizisten und Journalisten. Hinter der Absperrung pflügte sich ein dicker schwarzer Wagen durch die Demonstranten und beide, Hightower und der Wagen, kamen zeitgleich bei der Absperrung an. Hightower winkte ihnen ein letztes Mal zu, dann stieg sie in den Wagen, der sich im Rückwärtsgang durch die Menge schob und schlieÃlich verschwunden war.
âWas für eine Frauâ, seufzte Kollaritz und kraulte Nubia, die hechelnd und winselnd in Richtung Absperrung blickte, hinter den Ohren.
âSie kommt ja wiederâ, sagte Widmaier und klopfte dem Arzt auf die Schulter, was diesen zusammenzucken lieÃ.
Mit einem gequälten Grinsen zündete sich Drechsler
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