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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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verdammt gute Stimme.“
    Und die anderen drei stimmten ihm zu.
    â€žI don’t mind a fist in my face as long as it’s your fist“
, sang Karl und machte ein paar tänzelnde Schritte auf der Bühne respektive Terrasse. Er fühlte sich gut. Dass es so viel Spaß machen würde, seiner Exfreundin zuliebe den Rockstar zu markieren, hätte er sich nie gedacht. In seinem Hinterkopf begannen schon Träume von einer Musikerkarriere zu gären, ausverkaufte Tourneen, Fans, Groupies, massenhaft Geld, dazu … Halt. Ein Blick auf Marias verzücktes Gesicht holte ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Wegen dir hat sie ihr Konzert versäumt und du versuchst jetzt bloß, diesen Verlust ein wenig zu kompensieren, mehr nicht.
    Er beendete das Gitarrensolo, für das seine Hände als Instrumente genügt hatten, trommelte auf seinem Bauch die Schlusstakte des Liedes und verbeugte sich vor Maria, die immer noch in der Terrassentür stand und völlig im Schatten verschwand.
    â€žHat’s dir gefallen?“, fragte er, schwitzend, erschöpft, glücklich.
    â€žSchau“, sagte sie und deutete nach unten.
    Karls Blick folgte ihrer Hand. Unten, auf dem Platz vor dem Zentralfriedhof, standen Hunderte, wenn nicht Tausende von Leuten und alle applaudierten wie verrückt. Karl trat vor zur Brüstung, verbeugte sich zweimal und blieb dann, mit geschlossenen Augen und grinsendem Gesicht, ein paar Sekunden mit erhobenen Armen dort stehen, um das alles zu inhalieren, die schwere Nachtluft, das Licht, die Begeisterung. Schließlich ging er zurück ins Büro und ließ sich aufs Sofa fallen, und Maria glitt neben ihn und küsste ihn mitten auf den Mund.
    â€žDieser Karl Michael Baumgartner entpuppt sich langsam als Mann mit vielen Talenten“, sagte der Umweltstadtrat und zwinkerte einem mit versteinerter Miene dasitzenden Patrick Berger zu.
    Berger, der Baumgartners Show mit einer Mischung aus schwer eingestandener Bewunderung – sein Exangestellter hatte
wirklich
eine tolle Stimme – und einer gewissen Fassungslosigkeit – so entspannt und sicher, dass ihm nichts mehr von Seiten der WEGA passieren würde, konnte er doch gar nicht sein – mitverfolgt hatte, ersparte es sich, die Bemerkung des Umweltstadtrates zu kommentieren. Er tastete nach seinem Handy, das nach wie vor ruhig, zu ruhig, neben ihm auf der Bank lag, und während er via Fernseher einen ekstatisch grinsenden Karl Michael Baumgartner ertragen musste, der sich auf seiner, Bergers, Terrasse im Lichte seiner fünfzehn Minuten Ruhm sonnte, dachte er an die Überraschung, die er für Baumgartner noch in petto hatte, und dann würde ihm das Lachen schon noch vergehen, und dieser Gedanke wiederum zauberte eines in Bergers Gesicht, ein Lachen, und zwar ein gemeines.
    Auf dem Stock-im-Eisen-, oder, wie die Unwissenden zu sagen pflegten, Stephansplatz, ging es mittlerweile sehr betriebsam zu. Schaulustige drängten sich um das Podest, dessen Zugang von zwei grimmig dreinblickenden Polizisten mit tief in die Gesichter gezogenenMützen versperrt wurde, Reporter und Kameraleute stritten sich mit den Filmteams der Konkurrenz um die besten Plätze, Handwerker in dreckverschmierten Overalls nahmen am und auf dem Podest die letzten Feineinstellungen vor, Beamte der Stadtverwaltung kümmerten sich um die Stromversorgung, und mitten drin in all dem Spektakel, ruhig, souverän, mit einem leichten, beinahe spöttischen Grinsen im Gesicht, stand Dolores Hightower und begutachtete das von ihr initiierte Werk.
    Vor einer knappen halben Stunde war der Trubel losgegangen. Der erste Lkw, ein riesiger Tieflader, hatte sich im ersten Gang den Graben, die noble Wiener Einkaufsstraße, die normalerweise für Fahrzeuge gesperrt und eine reine Fußgängerzone war, entlanggekämpft. Eskortiert von zwei Streifenwagen mit rotierenden Blaulichtern, war er vorbei an den Edelboutiquen, Geschäften mit exklusiven Schreibwaren, Parfümerien und Buchhandlungen gerollt und schließlich auf dem Stephansplatz zum Stehen gekommen, wo die seltsame Fracht, die er transportierte, von den Umstehenden mit einer Mischung aus Faszination und Rätselraten bestaunt wurde. Eine Art Luftblase aus einem durchsichtigen Material, offenbar Kunststoff, von der Größe eines Kompaktwagens und der Form einer Glühbirne mit abgeflachter Rundung und abgeschnittenem Gewinde, funkelte im grellen

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