Kolibri
zahlreichen TV-Kameras, die das Podest genau im Visier hatten. âDas dürfte kein Problem werden.â
âGutâ, sagte Hightower, âjetzt brauchen wir nur noch jemanden, der die erste Münze einwirft.â
Der Bürgermeister räusperte sich. âIch dachte, das mache ich.â
âNichts für ungut, Darling, aber ich dachte eher an jemanden,na ja â¦â Sie beugte sich über das Geländer und blickte hinunter in die Menge. Huber und die beiden Mädchen standen direkt neben Qualtinger, der lässig an der Treppe lehnte. âSind Sie mit denen verwandt?â, rief sie zu Huber hinunter.
Der Bootsbauer nickte stolz. âMeine Töchter.â
Die beiden Mädchen schauten nach oben.
Perfekt, dachte Hightower und sagte: âWollt ihr ins Fernsehen?â
Im Film sah das immer gut aus, wenn der Mann und die Frau auf dem Sofa lagen, ihr Kopf ruhte auf seinem Oberschenkel und sie blickte schmachtend zu ihm auf. In der Realität schlief dem Mann das Bein ein.
Karl bewegte sich, in der vergeblichen Hoffung, eine etwas bequemere Stellung zu finden. Er rutschte ein Stück zur Seite, ein Stück nach hinten, dann wieder nach vor.
âWas machst du denn?â, fragte Maria mit träger Stimme und geschlossenen Augen.
âMein Beinâ, sagte Karl und massierte sich den Oberschenkel, auf dem Marias Wange lag.
âEin sehr nettes Beinâ, sagte Maria, âein bisschen knochig vielleicht, aber dennoch bequem.â
âEs ist eingeschlafenâ, sagte Karl.
âSoll ich runtergehen?â
âBitte.â
Vorsichtig setzte sich Maria auf und als sie sich mit der linken Hand am Sofarand aufstützte, schoss ihr der Schmerz aus der verletzten Schulter bis in die Fingerspitzen.
âAlles in Ordnung?â, fragte Karl.
âGeht schonâ, murmelte Maria und lächelte gequält. Sie rieb sich die Augen und biss die Zähne zusammen. Dann musterte sie Karl, der mit zerstrubbelten Haaren neben ihr lümmelte, nach wie vor mit nacktem Oberkörper, und dessen Gesicht aufgrund des Triumphs, den er auf der Terrasse gefeiert hatte, immer noch strahlte. âDas war sehr schön da drauÃenâ, sagte sie.
âWirklich?â
Maria nickte. âWirklich. Eddie White hätte das auch nicht besser gekonnt.â
âDu übertreibstâ, sagte Karl, aber sein Grinsen wurde breiter.
âNur ein bisschenâ, sagte Maria und rückte eine paar Zentimeter näher an Karl heran.
âWie wärâs mit Musik?â
Maria blickte sich um, entdeckte die schicke Stereoanlage und die CDs, die im Rack lagen. âIch hoffe, dein Boss, ich meine, Exboss, hat einen guten Geschmack.â Sie stand auf, umrundete vorsichtig die Scherben auf dem Teppich vor dem Sofa und ging vor der Stereoanlage in die Knie, um die CDs zu inspizieren. âMist, Mist, Mistâ, eine nach der anderen flog zur Seite, ânoch mehr Mist, grauenhafter Mist, kenn ich nicht, aber vermutlich ebenfalls Mist, furchtbares Cover, noch mehr, he, ich glaube, das ist nett.â
Karl seufzte. Seine stillen Gebete waren erhört worden.
Maria brachte die Stereoanlage nach ein bisschen Gemurkse und gutem Zureden schlieÃlich zum Laufen und überredete sie, die CD zu schlucken. Mit der Fernbedienung in der Hand kehrte sie zum Sofa zurück und lieà sich drauffallen. âMission erledigt, keine Gefangenenâ, sagte sie mit lässig zu einem Salut erhobenem Arm.
âWegtretenâ, grinste Karl.
Maria drückte ein magisches Knöpfchen und Musik erklang. Spröde, leicht monotone Beats, Musik, die nach den ersten paar Sekunden langweilig klingt, nach den ersten paar Minuten einen gewissen Sog erzeugt und einen spätestens beim dritten Track gepackt hat.
âWas ist das?â, fragte Karl, der sich mit Techno oder House oder wie immer diese Musikrichtung hieÃ, nicht auskannte. Er stand mehr auf Rock.
Yeah
.
âThomas Brinkmannâ, sagte Maria und rückte ein wenig näher.
âKlingt wie ein deutscher TV-Arzt.â
âIch kann auch was anderes auflegen.â Noch näher.
Karl winkte ab. âNein, schon okay. Gefällt mir.â
Sie liegen auf dem Sofa, Maria ganz nah bei ihm, schauen einander an, und plötzlich verschwindet alles. Das dumpfe Gemurmel der Demonstranten unten auf der StraÃe: verschwunden. Das grelle Scheinwerferlicht, das durch die halb heruntergelassenen Jalousien
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