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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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altes Europa, dachte sie, ich hab dich vermisst. Plötzlich erfüllte ein tiefes Rumpeln die Luft, ein Geräusch, das schnell näher kam und in den engen Gassen rund um den Platz bedrohlich widerhallte.
    â€žWas ist das?“, murmelte der Handwerker.
    Auch der Bürgermeister war aufgestanden und blickte Hightower, die nur grinsend dastand, fragend an.
    â€žNa endlich“, sagte die Amerikanerin, „sie sind da.“
    â€žWer?“
    â€žDie Lkw.“

SIEBENUNDZWANZIG
    Schon als Volksschüler in der Friesgasse im Fünfzehnten Bezirk war Patrick Berger immer als erster mit den Aufgaben fertig gewesen, hatte immer als erster aufgezeigt und war immer als erster aus der Pause zurück ins Klassenzimmer gekommen. Falls es Dinge zu erledigen gab, wollte er sie sofort erledigen. Er hasste diese Warterei, dieses ewige, grundlose Zögern, diese Ausflüchte. Geduld war seine Sache nicht.
    Um so mehr verabscheute er seine jetzige Situation. Hier saß er nun, auf einer dieser harten, kaum gepolsterten Bänke im pompösen Gemeinderatssitzungssaal des Wiener Rathauses, trank lauwarme Cola aus einem klebrigen Becher, starrte ab und zu auf den Fernseher, der die immergleichen Bilder der sich ständig vergrößernden Menge von Demonstranten vor seiner Fabrik zeigte, versuchte, ein Gespräch mit dem Umweltstadtrat zu vermeiden, indem er demonstrativ in die andere Richtung schaute, wenn dieser sich Berger zuwandte, hier saß er nun also und kochte innerlich. Sie hatten ihn nicht mitgelassen zum Stephansplatz, wo Dolores Hightower in geheimer Mission unterwegs war. Nicht, dass der Bürgermeister oder Qualtinger es ihm ausdrücklich untersagt hätten, nein, sie hatten ihn schlicht und einfach nicht gefragt. Die Amerikanerin hatte mit dem Kinn zur Tür gedeutet und Qualtinger und der Bürgermeister waren ihr gefolgt, wobei letzterer dem Umweltstadtrat noch zugerufen hatte, hier die Stellung zu halten.Mit Berger hatte niemand auch nur ein Wort gewechselt. Er war draußen.
    Er trank den letzten Schluck Cola, verzog das Gesicht angesichts des lauwarmen, zuckrigen Gesöffs, rechnete in seinem Hinterkopf bereits aus, wie lange er joggen musste, um diese teuflischen Kalorien wieder zu verbrennen, zückte sein Handy und schaute auf die Anzeige. Schrempf hatte sich noch immer nicht gemeldet. Außerdem war der Akku beinahe leer. Einen Fluch unterdrückend stand er auf und machte sich auf den Weg nach unten, um sein Ersatzladegerät, das er immer im Handschuhfach seines BMW verwahrte, zu holen. Auf dem Rückweg kam er in den Genuss eines dieser extrem lustigen Spielchen des Umweltstadtrates. Dieser ließ ihn, nachdem Berger von unten angerufen hatte, zwei Minuten warten, ehe er die Tür mit dem Spruch „Wir kaufen nichts“, gefolgt von einem nicht mehr sehr nüchtern klingenden Lachen, öffnete.
    Zurück im Saal steckte Berger das Ladegerät ein, hängte das Handy an und sprach Bernhard Schrempf eine Nachricht auf die Mailbox, er solle sich sofort melden, er, Berger, habe eine Idee, wie sie den Kopf doch noch aus der Schlinge ziehen konnten. Und er solle sich, verdammt noch mal, mit dem Rückruf beeilen, die Zeit dränge.
    Mit klopfendem Herzen ging er nach vorne, zu den Berichterstattertischen, und holte sich etwas zu trinken, Whiskey pur diesmal. Ungesünder als Cola war das bestimmt nicht. Er wollte sich eben in eine der hinteren Bankreihen zurückziehen, seinen Drink genießen und auf den Anruf von Schrempf warten, als der Umweltstadtrat ihn zurückrief.
    â€žKommen Sie, das müssen Sie sehen.“
    Berger drehte sich um und folgte dessen ausgestrecktem Arm, der Richtung Fernseher, der auf dem zweiten Berichterstattertisch stand, wies. Karl Michael Baumgartner war soeben auf der Terrasse von Amnat erschienen.
    Karl stand draußen auf der Terrasse, hatte, zwecks besserem Image, sein schweißfeuchtes T-Shirt ausgezogen und seine ohnehin schonzerstrubbelten Haare mit Hilfe von ein bisschen Wasser noch weiter in Unordnung gebracht, und ließ nun seine Arme kreisen, um sich aufzuwärmen und sich geistig auf seinen Auftritt vorzubereiten. Unten, in der Produktionshalle, war ihm die Idee toll vorgekommen, jetzt, hier oben, vor buchstäblich Tausenden von Leuten, war er nicht mehr ganz so überzeugt davon. Aber als er das Lied, das Maria unten geträllert hatte, erkannt hatte, war ihm eben diese Idee gekommen. Und deshalb

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