Kolibri
verschwinden.
âUnd?â, fragte Hightower.
âErstens, er ist einverstanden, und zweitens, er sagt, es sei machbar. Er hat mir versprochen, dass in spätestens einer halben Stunde zehn Telefone freigeschaltet und mit netten jungen Frauen und Männern, die sich um die Anrufe der Spender kümmern, besetzt sind. Die Nummer von dieser Hotline schickt er mir per SMS.â
Das Handy des Bürgermeisters piepste zweimal. Er warf einen Blick aufs Display und nickte zufrieden. âHaben Sie was zum Schreiben?â
Hightower zückte ihren goldenen Kugelschreiber und ihr Notizbuch und notierte sich sorgfältig die Nummer. âBesorgen Sie mir ein Stück Karton, so richtig groÃ, und einen dicken fetten Edding. Wir stellen das Schild neben die Anzeige aufs Podest.â
âIch hab eine bessere Ideeâ, sagte der Bürgermeister. âIch lass ein Schild mit der Nummer ausdrucken, das schaut besser aus.
âEs muss aber schnell gehen, sonst verlieren wir Geld.â
âEs wird schnell gehen, vertrauen Sie mir.â Seine Müdigkeit schien wie weggeblasen. âIch muss los.â Hightower riss das Blatt aus dem Notizbuch und reichte es dem Bürgermeister, der aufstand und mit energischen Schritten auf die Menge zusteuerte, die ihn alsbald verschluckt hatte.
Hightower lehnte sich zurück und stellte mit zufriedenem Lächeln ein paar Berechnungen an. Okay. Erstens: Die Spendensammelaktion wurde auch im deutschen Privatfernsehen gezeigt, sie hatte die Logos der diversen Sender an den Kameras und Mikrofonen gesehen. In Deutschland lebten rund achtzig Millionen Menschen, dazu die rund acht Millionen in Ãsterreich und ein paar Versprengte in der deutschsprachigen Schweiz und in Liechtenstein. Das macht insgesamt rund hundert Millionen. Sagen wir, nur zehn Prozent schauen im Moment zu, wie auf dem Wiener Stephansplatz Geld für das Umweltschutzprojekt eines Geiselnehmers undBombenlegers gesammelt wurde, dank Frühstücksfernsehen eine eher konservative Schätzung, dann sind das zehn Millionen Menschen. Und nur zehn Prozent davon interessieren sich für die Thematik, bleiben eine Million. Und nur zehn Prozent der Interessierten spenden auch tatsächlich, das sind dann 100.000 Leute. Und die spenden jeder im Durchschnitt, niedrig geschätzt, fünf Euro. Das macht, tra la la, eine halbe Million Euro. Sprich, die halbe Miete. Dann noch ein paar publicitygeile GroÃspender und fertig war die Million. Baumgartner bekam sein Geld, übergab Bombe und Geisel unversehrt und alle waren glücklich und zufrieden. Ob diese Million dann je in die richtigen Hände gelangte, wusste Hightower nicht, das oblag vermutlich juristischer Interpretation, aber im Moment war ihr das egal. Ihr Job war es, diese ganze Angelegenheit zu einem guten Ende zu bringen, und gut hieà für sie, ohne Tote oder Schwerverletzte. Und so, wie es im Moment ausschaute, konnte es sich nur noch um eine Frage von wenigen Stunden handeln.
In San José angekommen, ging er als erstes zum Coca-Cola-Busterminal, um sich eine Karte nach La Perla zu kaufen. Die Fahrt in den Süden würde, je nach Verkehr, Zustand der StraÃen und Willigkeit des Chauffeurs, zwischen acht und zehn Stunden dauern, man hatte ihn in Wien schon vorgewarnt, und während er völlig durchgeschwitzt in dem stickigen Warteraum saÃ, kam ein kleiner Junge auf ihn zu und versuchte, einen seiner Koffer zu stehlen. Karl war viel zu verblüfft und zu erledigt, um zu reagieren, und der Junge, er mochte knapp sechs sein, war zu schwach, den schweren Koffer hinter sich her zu ziehen, also lieà er ihn nach zwei Metern wieder los und schlenderte, ohne sich nach Karl auch nur umzudrehen, davon.
âNettes Empfangskomiteeâ, sagte Maria und lachte.
Die letzten zwei Stunden waren sie auf dem Sofa gelegen, Maria eingerollt wie eine süÃe kleine Schlange, Karl mit angezogenen Knien in die Ecke gekauert wie ein Huhn beim Eierlegen, und Maria hatte Karl zugehört, wie er von seinen Erlebnissen in Costa Rica berichtete.
Jetzt setzte er sich mit einem Ruck auf, gähnte und erhob sich. âIch muss aufs Kloâ, teilte er Maria mit, die so tat, als würde sie das brennend interessieren, indem sie ihm aufmunternd zuwinkte. Mit langsamen, vorsichtigen Schritten, der Teppich war nach wie vor voller Scherben, ging er ins Bad, urinierte ausgiebig und stellte sich dann vors Waschbecken, wo er lauwarmes
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