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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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Spendenhotline – Karl Michael Baumgartner hatte eine eigene Spendenhotline, er war quasi ein Ein-Mann-Licht-ins-Dunkel –, all das machte ihn glücklich und ein wenig stolz und, so seltsam es auch für ihn war, ein wenig beschämt. Dieser ganze Aufwand, nur wegen ihm, nur, damit er einmal in seinem Leben eine Sache so durchziehen konnte, wie er sich das vorgestellt hatte, nur, damit andere Leute sich einen Tag nach seinen Wünschen richteten. War es das wert? Er wusste es nicht. Vielleicht würde er es später wissen, vielleicht nie, jetzt wusste er nur eins, er hatte sich zu weit vorgewagt, hatte zu viel riskiert, um so kurz vor dem noch Ziel aufzugeben. Er würde hier ausharren mit dieser lächerlichen fiktiven Bombe und einer Geisel, die keine war, und auf die Million Euro warten.
    â€žGibt’s hier Kaffee?“, fragte Maria. „Wenn ich nicht bald einen bekomme, schlaf ich im Stehen ein.“
    â€žHier gibt’s alles“, sagte Karl und deutete auf die kleine Küche. „Soll ich dir helfen?“
    â€žDas schaff ich gerade noch allein“, sagte Maria und ging in die Küche, wo sie lautstark Kästen und Schubladen aufriss. „Schau du nur schön deinem Geld beim Sich-Vermehren zu“, brüllte sie aus der offenen Tür und hantierte mit Kaffeepulver, Tassen und einer widerspenstigen Espressomaschine herum.
    Und genau das tat Karl dann auch.
    Bequem hatten sie es, wie sie da so in den Liegestühlen lümmelten und die noch angenehmen Sonnenstrahlen genossen. Drechsler hielt eine Dose lauwarmer Cola in der linken und eine Nelkenzigarette in der rechten Hand, Widmaier rückte einer Tafel Milka zu Leibe und hatte ein Red Bull zwischen die Knie geklemmt, Kollaritz nuckelte an einem Mineralwasser, von dem er der neben ihm kauerndenNubia ab und zu ein paar Tropfen ins Maul spritzte, und Lehner lag einfach nur zurückgelehnt da und hatte die Augen halb geschlossen.
    Irgendwie hatte niemand Zeit oder Lust gehabt, die Liegestühle wieder zum Stand der Wiener Rettung zurückzutragen, und da bisher niemand aufgetaucht war, der die Stühle zurückgefordert hatte, standen sie eben nach wie vor dort, wo sie die halbe Nacht über gestanden hatten. Nachdem sie sich am Stand mit Verpflegung versorgt hatten, waren sie zurück in ihre Ecke gegangen, hatten die Stühle von ein paar faulen Journalisten okkupiert vorgefunden, die Widmaier mit einem Knurren und einer eindeutigen Geste seiner schinkengroßen Hand vertrieben hatte, hatten sich in die Stühle fallen lassen und ein wenig vor sich hingedöst. Irgendwann hatte das Gerücht die Runde gemacht, auf dem Stephansplatz finde eine große Geldsammelaktion zugunsten von Karl Michael Baumgartner statt, die live im Fernsehen übertragen wurde, und Widmaier hatte vorgeschlagen, sich um eines der wenigen Geräte zu scharen, die auf dem Platz aufgestellt worden waren und bereits von Menschenmassen umringt wurden. Drechsler, der keine Lust verspürt hatte, um diese frühe Uhrzeit eingeklemmt zwischen anderen ungewaschenen, aus dem Mund stinkenden Menschen herumzustehen, hatte ein paar der herumliegenden Ziegelsteine zu einem Stapel aufgeschichtet und seinen kleinen tragbaren Fernseher, den er am Vorabend mit frischen Batterien gefüttert hatte, auf diesen Stapel gestellt, währenddessen Widmaier und Kollaritz die Liegestühle vorsorglich im Halbkreis angeordnet hatten.
    Und hier lagen sie nun, versorgt mit allem, was sie brauchten, und starrten auf den handtellergroßen Bildschirm, auf dem die rotglühende Anzeige, die die Summe anzeigte, gerade noch erkennbar war.
    â€žGib’s zu“, sagte Widmaier und steckte den letzten Brocken Milka in den Mund, „jetzt bist du froh, dass du ein
Krone
-Abo genommen hast.“
    â€žDer Fernseher allein hätte mir genügt“, sagte Drechsler, der die Zeitung, seit er das Abo hatte, was seit rund drei Wochen der Fallwar, noch nie aufgeschlagen hatte. Er hörte lieber Radio. Seit Kollaritz ihm vorne beim Stand des Roten Kreuzes erklärt hatte, dass seiner, Kollaritz’, Meinung nach die Wahrscheinlichkeit, dass sich zwischen Baumgartner und Maria wieder etwas anbahnen könnte, bei mehr oder weniger Null lag, fühlte sich Drechsler wieder halbwegs in Ordnung. Maria sei immer schon mehr auf tatkräftige Männer gestanden als auf solche, die erst lange und umständlich nachdenken mussten, bevor sie etwas in

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