Kolibri
Spender einerseits mit dem Versprechen auf ein paar Sekunden Ruhm aufs Podest zu locken, um sie andererseits nach dem Geldeinwurf so schnell es ebenging wieder von demselbigen hinunterzukomplimentieren, drei Leute also, die je zehn Euro einwarfen, ergaben dreiÃig Euro pro Minute, 1.800 pro Stunde, 18.000 in zehn Stunden, und dann war die Frist schon längst abgelaufen und das Geld, die eine Million Euro, noch längst nicht beisammen. Nein, so würde es sich beim besten Willen nicht ausgehen, aber Hightower hatte von Anfang an mit GroÃspendern gerechnet, besser gesagt, sie hatte auf GroÃspender gehofft. Und vor rund zwanzig Minuten war es dann auch soweit gewesen. Ein geschniegeltes Jüngelchen, das für diese frühe Stunde geradezu obszön ausgeschlafen gewirkt hatte, war mit einem breiten Grinsen und einem Scheck über 50.000 Euro aufgetaucht, hatte das Papier in die Blase gleiten lassen und ein paar auswendig gelernte Sätze runtergespult, dass nämlich dem groÃen Wiener Autohaus, das er repräsentiere, der Umweltschutz sehr am Herzen liege. Hightower hatte natürlich kein Wort davon geglaubt, aber mit Befriedigung registriert, wie die rotglühende Anzeige, die die Gesamtsumme in der Blase wiedergab, auf einen fünfstelligen Betrag gesprungen war.
Sie lehnte sich auf der taufeuchten Marmorbank zurück und dachte wehmütig an Nubia und ihren Babysitter, Kollaritz, als sich eine Gestalt aus der Masse löste und auf sie zukam. Es war der Bürgermeister. Schweià glänzte auf seiner Stirn, sein Anzug sah aus, als hätte er darin geschlafen, die Haare standen ihm wirr vom Hinterkopf ab und unter den Augen hatte er dunkle Ringe. Hightower dachte, dass er wahrscheinlich seit vierundzwanzig Stunden auf den Beinen war, um diesem Irrsinn hier Herr zu werden. Er murmelte in sein Mobiltelefon und klappte es eben zusammen, als er bei der Bank angekommen war, auf die er sich seufzend fallen lieÃ. Er streckte die Beine von sich, schloss die Augen und fuhr sich mit dem Ãrmel seines Sakkos über die Stirn.
âAlles in Ordnung?â, fragte Hightower.
Mit weiterhin geschlossenen Augen sagte der Bürgermeister: âIm Prinzip schon.â
âIm Prinzip?â
Mit einem Ruck setzte sich der Bürgermeister auf, warf einen Blick auf sein Handy und schenkte Hightower ein zaghaftes Lächeln. âDiese Aktion hierâ, er deutete mit dem Kinn auf die Blase, âist eine gute Ablenkung von der Bombe in der Fabrik, was ich sehr begrüÃe, weil es wichtig ist für die Stimmung, die in meiner Stadt herrscht.â
âAber?â
Der Bürgermeister seufzte erneut und hielt sein Handy in die Höhe. âAber alle drei Sekunden klingelt das Telefon, weil Leute aus dem In- und Ausland wissen wollen, wie sie spenden können, ohne hierher kommen zu müssen.â
âIst doch gut.â
âIst es nicht. Die Telefonzentrale im Rathaus ist bereits zusammengebrochen und die der Wiener Polizei wird es in Kürze, soweit ich informiert bin. Der arme Qualtinger dort drübenâ, er deutete unbestimmt in die Richtung, aus der er gekommen war, âhat schon einen Muskelkater in der Zunge und mir geht es ähnlich.â
Hightower runzelte die Stirn, dann sagte sie: âRichten Sie eine Spendenhotline ein. Dort sollen die Leute anrufen. Damit schlagen Sie zwei Fliegen mit einer Klappe. Es kommt weiterhin Geld rein und Ihre Telefonzentrale funktioniert wieder.â
âEine Hotline?â
âWarum nicht? AuÃer, Sie haben eine bessere Idee.â
âIch hab keine Ahnung, wie das juristisch ausschaut. Ich meine, eine Spendenhotline für einen Bombenleger und Geiselnehmer?â
âWo liegt der Unterschied zu dem, was wir hier gerade machen?â, fragte Hightower und deutete Richtung Podest, das nach wie vor von spendenwilligen Menschenmassen umringt war.
Der Bürgermeister überlegte. Er nagte an seiner Unterlippe, schüttelte leicht den Kopf, zuckte schlieÃlich mit den Schultern und sagte: âIn Ordnung. Sie haben mich überzeugt.â Er klappte das Handy auf und tippte nach kurzem Nachdenken eine Nummer ein.
âWen rufen Sie an?â
âEinen Studienfreund. Ihm gehört ein Callcenter.â Die Verbindungkam zustande. Das Gespräch dauerte nur wenige Minuten, dann klappte der Bürgermeister sein Handy wieder zusammen und lieà es in der Sakkotasche
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