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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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Spender einerseits mit dem Versprechen auf ein paar Sekunden Ruhm aufs Podest zu locken, um sie andererseits nach dem Geldeinwurf so schnell es ebenging wieder von demselbigen hinunterzukomplimentieren, drei Leute also, die je zehn Euro einwarfen, ergaben dreißig Euro pro Minute, 1.800 pro Stunde, 18.000 in zehn Stunden, und dann war die Frist schon längst abgelaufen und das Geld, die eine Million Euro, noch längst nicht beisammen. Nein, so würde es sich beim besten Willen nicht ausgehen, aber Hightower hatte von Anfang an mit Großspendern gerechnet, besser gesagt, sie hatte auf Großspender gehofft. Und vor rund zwanzig Minuten war es dann auch soweit gewesen. Ein geschniegeltes Jüngelchen, das für diese frühe Stunde geradezu obszön ausgeschlafen gewirkt hatte, war mit einem breiten Grinsen und einem Scheck über 50.000 Euro aufgetaucht, hatte das Papier in die Blase gleiten lassen und ein paar auswendig gelernte Sätze runtergespult, dass nämlich dem großen Wiener Autohaus, das er repräsentiere, der Umweltschutz sehr am Herzen liege. Hightower hatte natürlich kein Wort davon geglaubt, aber mit Befriedigung registriert, wie die rotglühende Anzeige, die die Gesamtsumme in der Blase wiedergab, auf einen fünfstelligen Betrag gesprungen war.
    Sie lehnte sich auf der taufeuchten Marmorbank zurück und dachte wehmütig an Nubia und ihren Babysitter, Kollaritz, als sich eine Gestalt aus der Masse löste und auf sie zukam. Es war der Bürgermeister. Schweiß glänzte auf seiner Stirn, sein Anzug sah aus, als hätte er darin geschlafen, die Haare standen ihm wirr vom Hinterkopf ab und unter den Augen hatte er dunkle Ringe. Hightower dachte, dass er wahrscheinlich seit vierundzwanzig Stunden auf den Beinen war, um diesem Irrsinn hier Herr zu werden. Er murmelte in sein Mobiltelefon und klappte es eben zusammen, als er bei der Bank angekommen war, auf die er sich seufzend fallen ließ. Er streckte die Beine von sich, schloss die Augen und fuhr sich mit dem Ärmel seines Sakkos über die Stirn.
    â€žAlles in Ordnung?“, fragte Hightower.
    Mit weiterhin geschlossenen Augen sagte der Bürgermeister: „Im Prinzip schon.“
    â€žIm Prinzip?“
    Mit einem Ruck setzte sich der Bürgermeister auf, warf einen Blick auf sein Handy und schenkte Hightower ein zaghaftes Lächeln. „Diese Aktion hier“, er deutete mit dem Kinn auf die Blase, „ist eine gute Ablenkung von der Bombe in der Fabrik, was ich sehr begrüße, weil es wichtig ist für die Stimmung, die in meiner Stadt herrscht.“
    â€žAber?“
    Der Bürgermeister seufzte erneut und hielt sein Handy in die Höhe. „Aber alle drei Sekunden klingelt das Telefon, weil Leute aus dem In- und Ausland wissen wollen, wie sie spenden können, ohne hierher kommen zu müssen.“
    â€žIst doch gut.“
    â€žIst es nicht. Die Telefonzentrale im Rathaus ist bereits zusammengebrochen und die der Wiener Polizei wird es in Kürze, soweit ich informiert bin. Der arme Qualtinger dort drüben“, er deutete unbestimmt in die Richtung, aus der er gekommen war, „hat schon einen Muskelkater in der Zunge und mir geht es ähnlich.“
    Hightower runzelte die Stirn, dann sagte sie: „Richten Sie eine Spendenhotline ein. Dort sollen die Leute anrufen. Damit schlagen Sie zwei Fliegen mit einer Klappe. Es kommt weiterhin Geld rein und Ihre Telefonzentrale funktioniert wieder.“
    â€žEine Hotline?“
    â€žWarum nicht? Außer, Sie haben eine bessere Idee.“
    â€žIch hab keine Ahnung, wie das juristisch ausschaut. Ich meine, eine Spendenhotline für einen Bombenleger und Geiselnehmer?“
    â€žWo liegt der Unterschied zu dem, was wir hier gerade machen?“, fragte Hightower und deutete Richtung Podest, das nach wie vor von spendenwilligen Menschenmassen umringt war.
    Der Bürgermeister überlegte. Er nagte an seiner Unterlippe, schüttelte leicht den Kopf, zuckte schließlich mit den Schultern und sagte: „In Ordnung. Sie haben mich überzeugt.“ Er klappte das Handy auf und tippte nach kurzem Nachdenken eine Nummer ein.
    â€žWen rufen Sie an?“
    â€žEinen Studienfreund. Ihm gehört ein Callcenter.“ Die Verbindungkam zustande. Das Gespräch dauerte nur wenige Minuten, dann klappte der Bürgermeister sein Handy wieder zusammen und ließ es in der Sakkotasche

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