Kolibri
den verdammten Artikel dachte, stieg sein Blutdruck schon. âZensur ist gar nicht so schlecht, wenn man genauer drüber nachdenktâ, murmelte er. âDie Russen wissen, wie man mit der Presse umgehen muss.â
âWas ich Sie fragen wollteâ, sagte Schrempf mit leiser Stimme, wurde aber von Berger unterbrochen.
âHalten Sie den Mund, Schrempf, halten Sie bloà Ihren Mund! Ich spreche nicht mit Ihnen, ist das klar? Ich könnte auch mit der Wand reden, aber das wäre pathologisch, deshalb spreche ich zu, aber nicht mit Ihnen, haben Sie das verstanden?â
Schrempf nickte und strich sich mit dem Handrücken über den Kehlkopf.
Berger sprang vom Schreibtisch, setzte sich auf den Ledersessel, drückte auf den Knopf der Gegensprechanlage und bat seine Sekretärin, ihm eine Tasse Kaffee zu bringen. Nach knapp einer Minute erschien eine unscheinbare Frau um die Vierzig, stellte wortlos eine Tasse samt Untertasse und einem kleinen silbernen Löffel und eine Dose SüÃstoff auf den Tisch und zog sich wortlos wieder zurück. Berger gab zwei Stück SüÃstoff in den Kaffee und überkreuzte Zeige- und Mittelfinger der Linken, während er mit der Rechten umrührte. Von SüÃstoff konnte man Krebs bekommen, dafür schadete er den Zähnen und der Figur nicht.
Er trank einen Schluck, nickte zufrieden und begann, den Artikel, den er schon beinahe auswendig kannte, zu überfliegen.
Dicke Luft
, was Besseres war ihnen nicht eingefallen, diesen Schmierern, die sich Journalisten nannten. Ein Haufen Lügen und Ãbertreibungen. Möglicherweise hochgiftige Stoffe seien freigesetzt worden, da konnte er doch nur lachen. Seit wann war Rosenöl denn giftig? Es hatte die üblichen Anrainerbeschwerden gegeben, klar, damit hatte er gerechnet. Dieselben Leute, die für teures Geld Duftöle in Reformhäusern kauften, regten sich auf, wenn die verdreckte städtische Luft nach Rosen roch. Das Einzige, was Berger wirklich Sorgen bereitete, war die Tatsache, dass auch die Zerstörung der Zentrifuge in dem Artikel erwähnt wurde. Woher, so fragte er sich, hatte die Presse diese Information. Von Baumgartner? Das konnte er sich nicht vorstellen. Der würde nicht so dumm sein, seinen Job und seine Zukunft aufs Spiel zu setzen, indem er einer Zeitung ein paar dünne Fakten mitteilte, wobei er dann wohlweislich noch seinen Anteil an der ganzen Misere geheim halten musste. Andererseits war Baumgartner ein Ãkospinner und die waren unberechenbar. Nein, ganz ausschlieÃen konnte er Baumgartner nicht. Lehner? Der Firmenarzt schien in letzter Zeit eine Art Gewissen entwickelt zu haben und Berger konnte sich gut vorstellen, wie der alte Mann, betrunken wie üblich, sich seinen Frust von der Seele redete und einem jungen, gutgläubigen Reporter einen Floh ins Ohr setzte. Doch auch diese Variante ergab in Bergers Augen wenig Sinn. Gut, Lehnermochte ihn nicht, und das beruhte auf Gegenseitigkeit, aber der Arzt war auf den Zusatzjob und das daraus resultierende Geld angewiesen, wollte er sich weiterhin auf so rührende Weise um seine behinderte Tochter kümmern. Nein, Lehner würde nichts riskieren. Also doch Baumgartner? Selbst wenn, dachte Berger, im Augenblick ist es am wichtigsten, die Wogen zu glätten. Er würde sie nicht fragen, ob sie die Informationen an die Presse weitergegeben hatten, was sie sowieso abstreiten würden. Die Versuche von Schrempf waren so gut wie abgeschlossen, jetzt galt es nur noch, den geeigneten Standort in Rumänien zu finden, was nicht allzu schwierig werden würde, und hier alle Spuren zu beseitigen.
Mit einem leisen Zungenschnalzen legte er die Zeitung zurück in die Schublade, trank noch einen Schluck Kaffee und begann, in kleinen Kreisen auf dem Teppich herumzuwandern, wobei er seinem Assistenten, der auf dem Stuhl saà wie das Kaninchen vor der Kobra, ab und zu einen Blick zuwarf. âWissen Sie, Schrempf, es ist schon seltsam, wie sensibel die Leute doch plötzlich werden, wenn ihnen jemand einredet, irgendetwas, von dem sie keine Ahnung haben, sei gefährlich. Nehmen wir, nur als Beispiel, die Gentechnik.â
Zögernd sagte Schrempf: âWas ich Sie eigentlich fragen wollte â¦â
Berger hob die Hand. Stopp, jetzt redete er. âGlauben Sie, dass die Genetik und deren praktische Anwendung zur Allgemeinbildung gehören? Nun, ich glaube das nicht. Immerhin sprechen wir hier von
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