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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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paar Schritte durchs Labor und blickte sich um. Bis auf das zersprungene Glas vor den Sicherheitshinweisen und einigen Kratzern im Verputz sah alles schon wieder ganz gut aus. Sicher, die Geräte mussten noch an ihren exakten Platz gestellt und angeschlossen werden, bei manchen war auch eine Eichung notwendig, aber das Gröbste war getan. „Was fehlt denn noch?“, fragte er.
    Der zweite Arbeiter, er hatte die Haare mit einem roten Band zusammengebunden, zuckte mit den Schultern und sagte: „Die Zentrifuge und der Kühlschrank. Das ist dann alles, glaube ich.“
    Berger trat mit dem Schuh gegen die Tür des Chemikalienschrankes und hob den Blick. „Sie glauben?“
    Der Arbeiter mit dem Haarband räusperte sich. „Na ja, ich meine …“
    â€žChef?“
    Berger drehte sich um und schaute zur Tür. Schrempf, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, streckte den Kopf herein.
    â€žWas gibt’s?“, fragte Berger. „Sie sehen doch, ich hab zu tun.“
    Schrempf kratzte sich am Kinn. „Tut mir leid, aber Sie haben einen Anrufer in der Leitung. Ihre Sekretärin sagt, es sei dringend.“
    Berger sah sich ein letztes Mal um und nickte. „Weitermachen“, sagte er zu den Arbeitern und verließ das Labor.
    Auf dem Weg in sein Büro fragte er sich, wer, zur Hölle, diesmal etwas von ihm wollte. Seit acht Uhr heute Morgen hatte das verdammte Telefon alle paar Minuten geläutet. Journalisten wollten wissen, ob an der Story etwas dran sei, der Umweltstadtrat wollte wissen, ob an der Story etwas dran sei, ein Haufen besorgter Bürgerinnen und Bürger wollte wissen, ob an der Story etwas dran sei, nur Gott persönlich hatte noch nicht angerufen und gefragt, ob an der Story etwas dran sei. Dann war ein mürrisch dreinblickender Beamter vom Umweltamt gekommen, hatte ein wenig herumgeschnüffelt und war, nachdem er festgestellt hatte, dass hier kein biochemischer Supergau stattgefunden hatte, mehr oder weniger befriedigt und erleichtert wieder abgezogen. Als seine Sekretärin ihm, Berger, mitgeteilt hatte, dass das Laborzubehör eingetroffen sei, hatte er ihr ausgerichtet, dass er die nächste gute Stunde im Keller verbringen werde und nicht gestört werden wolle. Die Tatsache, dass sie sich nicht an seine Anweisungen gehalten hatte, bedeutete nichts Gutes. Außer … Grinsend stieg er die Treppen hoch. Tja, außer Tatjana war am Apparat und teilte ihm mit, dass sie die Russischstunde, die sie gestern kurzfristig hatte absagen müssen, heute nachholen würden. Bei dem Gedanken wurde Bergers Grinsen breiter. Er würde ihr das Parfum in die Hand drücken, ihr ein paar Schweinereien auf Russisch ins Ohr flüstern, sie kurz und schmerzlos flachlegen und all die Sorgen und Probleme, die ihn im Moment quälten, vergessen.
    Er stieß die Tür auf, setzte sich auf den bis auf das Telefon und die Gegensprechanlage praktisch leeren Schreibtisch, wobei er den flachenPC-Monitor zur Seite schob, und griff nach dem Hörer. Schrempf stand in der Tür und räusperte sich verlegen. Berger deutete mit der Hand auf einen der Sessel, und während Schrempf sich niederließ, sagte Berger: „Hier Patrick Berger, mit wem spreche ich, bitte?“
    â€žTut mir leid, Herr Berger“, sagte die Sekretärin, „der Anrufer hat bereits aufgelegt.“
    â€žDer Anrufer?“, fragte Berger und strich sich mechanisch die Haare aus dem Gesicht. „Sind Sie sicher, dass es keine Frau war, mit einem leichten slawischen Akzent vielleicht?“
    â€žTut mir leid, Herr Berger, aber es war ein Mann. Einer der Lkw-Fahrer, um genau zu sein. Offensichtlich gibt es Motorprobleme und ich soll Ihnen ausrichten, dass die beiden Lieferungen vermutlich nicht vor heute Nachmittag eintreffen werden. Tut mir leid.“
    â€žSchon gut“, sagte Berger, „nicht so schlimm“, machte eine unwirsche Handbewegung und knallte den Hörer auf die Gabel. Die Lieferverzögerung störte ihn nicht besonders, aber die gute alte Tatjana, die ging ihm langsam auf die Nerven. Es war ja nicht so, als hätte er nichts anderes zu tun als sich zu überlegen, wie er in das Herz und das Höschen einer zwanzigjährigen Studentin gelangte. Seufzend zog er die oberste Schreibtischschublade heraus und entnahm ihr die verfluchte Zeitung, die er nicht ohne Grund aus seinem direkten Blickfeld entfernt hatte. Wenn er nur an

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