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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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sagte er. „Ich hab dich zu gar nichts überredet.“
    â€žDu wolltest, dass ich ein
Krone
-Abo beziehe, damit ich den tragbaren Fernseher als Prämie bekomme und wir im Büro die Fuß-ball-WM anschauen können.“
    Entrüstet hob Widmaier die Arme. „Ich hab dir einen Vorschlag gemacht, sonst gar nichts“, sagte er. „Du bist siebenunddreißig, ich nehme also an, du weißt, was du tust.“
    Drechsler widmete sich kurz der Straße und stellte beruhigt fest, dass sie menschenleer war. „Ich wollte diese verdammte Zeitung nicht und ich will sie auch jetzt nicht. Ich habe keine Zeit, um Zeitung zu lesen.“
    Widmaier lachte. „Zu viele Weibergeschichten?“
    â€žNeidisch?“, fragte Drechsler, zupfte ein paar Katzenhaare von seinem Overall und warf sie aus dem Fenster.
    Widmaier hielt seine rechte Hand hoch und deutete mit seinemwuchtigen Kinn auf den Ehering, der tief in seinem fleischigen Finger eingebettet war. „Ich bin glücklich verheiratet, wie du weißt.“
    Drechsler nickte und warf erneut einen Blick auf die Uhr. Langsam breitete sich die Erregung in ihm aus. Es machte ihm Spaß, in der Rossauer Kaserne zu sitzen, Schaltpläne zu studieren, Kurse zu absolvieren und die Geräte zu warten. Aber bei diesen Beschäftigungen konnte nicht viel passieren. Hier, jetzt, im Einsatz, sah das anders aus. Klar, die Wahrscheinlichkeit eines Fehlalarms war groß. Pro Jahr gingen mehrere hundert Meldungen bezüglich sprengstoffverdächtiger Gegenstände aller Art ein und die meisten davon stellten sich als schlechter Scherz heraus. Aber ab und zu, fünf bis zehn Mal pro Jahr, hatte man es mit einer echten Bombe zu tun, und dann hieß es das Adrenalin in Zaum halten und einen kühlen Kopf bewahren.
    â€žHalleluja!“, rief Widmaier und hielt Drechsler den Fernseher vors Gesicht. Das Bild war zwar unscharf, aber immerhin vorhanden.
    â€žWie hast du das denn geschafft?“, fragte Drechsler.
    Widmaier wackelte mit den Fingern. „Das sind meine magischen Hände. Kein technisches Gerät kann mir widerstehen.“
    â€žDreh den Ton ein bisschen lauter.“
    Widmaier fummelte an den Knöpfen herum. Herbert Prohaska, ehemaliger Teamspieler und Nationaltrainer, jetzt Kommentator für den ORF, erklärte gerade, dass das menschliche Auge nicht so schnell sei wie die Zeitlupe im TV. Widmaier lachte. „Ich liebe diesen Kerl“, sagte er und warf Prohaska einen Kussmund zu.
    â€žWir sind da“, sagte Drechsler und deutete mit dem Kinn nach vorne. Eine Menschenmenge hatte sich hinter dem rot-weißen Trassenband eingefunden, das quer über die Straße verlief. Drechsler hupte, aber die Leute gingen nur sehr zögerlich aus dem Weg.
    Widmaier schüttelte angewidert den Kopf und verstaute den Fernseher im Handschuhfach. „Schau dir das an“, sagte er und zeigte auf eine junge Frau, die, von zwei kleinen Kindern flankiert, direkt am Trassenband stand und gierig hinüber zum Waffengeschäftblickte, das offensichtlich das Zentrum der Gefahr darstellte. „Sollte hier tatsächlich was in die Luft fliegen, muss sich die Mutter wenigstens keine Sorgen machen, wer sich um die Kinder kümmert.“
    â€žHier fliegt nichts in die Luft“, sagte Drechsler und hielt einem jungen Polizisten in Uniform seinen Ausweis hin. Der Polizist wies die Leute an zurückzutreten, hob das Trassenband hoch und winkte den Chevy durch. Drechsler fuhr mit dem Wagen bis auf fünf Meter an das Waffengeschäft heran, stellte den Motor ab und dämpfte die Zigarette aus.
    â€žLos geht’s“, sagte Widmaier und sein Lächeln erlosch.
    Sie stiegen aus. Ein knapp vierzigjähriger Mann in Jeans und T-Shirt löste sich aus dem Schatten des Geschäftes und trabte betont lässig zu ihnen herüber. Er hatte sehr kurzes Haar und trug eine Sonnenbrille mit ovalen, neongrünen Gläsern, die ihm das Aussehen eines Insekts verlieh.
    â€žIch bin Harry“, sagte der Mann und streckte die Hand aus.
    Drechsler schüttelte sie und schaute sich um. „Okay, was gibt’s?“
    Harry deutete mit dem Daumen über seine Schulter zum Waffengeschäft, dessen Tür offen stand. Neben dem Eingang befand sich ein tragbares Röntgengerät. „Vor zirka einer Stunde hat ein unbekannter Mann das Geschäft betreten und wollte eine Pistole kaufen. Der Verkäufer wollte seine

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