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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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heuer Urlaub in Österreich gemacht. Karin wollte unbedingt auf einen Bauernhof im Burgenland. Es war furchtbar. Überall hat es nach Kuhscheiße gestunken, es gab kein Kabelfernsehen und die Handyverbindung war beschissen.“ Mit zusammengekniffenen Augen drehte er am Rädchen, mit dem die Bildschärfe reguliert wurde.
    Drechsler brachte es nicht übers Herz, Widmaier zu sagen, dass die zwei Wochen auf Bali langweilig gewesen waren. Wie oft konnte man im azurblauen Meer baden gehen, wie viele Cocktails konnte man trinken? Antwort: zu oft und zu viele. Er hatte nicht mal Lust gehabt, einer der zahlreichen schönen Frauen nachzusteigen.
    Er riss sich aus seinen Gedanken und schaute zu Widmaier, der immer noch mit dem Gerät herumhantierte. „Pass auf“, sagte er, „du machst ihn ja kaputt.“
    Widmaier fabrizierte eine wegwerfende Handbewegung. „Keine Angst, diese Japaner halten was aus“, sagte er, schüttelte den kleinen Fernseher und warf wieder einen Blick auf den Bildschirm, der nach wie vor dunkel blieb.
    Drechsler schaute auf seine TAG Heuer. „Jetzt mach schon, dasSpiel beginnt in einer halben Stunde und ich will auch die Vorberichte sehen.“
    Widmaier fächelte mit der Hand demonstrativ den Rauch vor seinem Gesicht weg und kurbelte sein Fenster ganz nach unten. Eigentlich war das Rauchen im Dienstfahrzeug verboten, aber Drechsler hielt nicht viel von dieser Vorschrift, deshalb hatte er in der Tankstelle einen dieser Duftbäume gekauft und ihn an den Innenspiegel gehängt, mit dem Ergebnis, dass der Chevy nun nach Nelken
und
synthetischer Vanille stank.
    â€žDu hast ihn doch nicht aus Versehen ins Wasser fallen lassen, oder?“, fragte Widmaier, hielt den Fernseher hoch und schaute Drechsler herausfordernd an.
    â€žDoch“, sagte Drechsler genervt und schaltete einen Gang runter. Vor ihnen hatte sich ein Stau gebildet. Eine junge Polizistin in Uniform leitete die Autos in eine Seitenstraße um. „Jetzt, wo du mich dran erinnerst, fällt es mir wieder ein. Gestern, als der Briefträger den Fernseher gebracht hat, bin ich als erstes ins Bad und hab ihn kräftig eingeweicht.“
    Widmaier kratzte sich mit dem Daumen das Kinn und machte ein beleidigtes Gesicht. „War ja nur eine Frage“, sagte er und drückte auf den Einschaltknopf des Fernsehers. Nichts tat sich.
    Drechsler starrte nach vorne auf die Straße und unterdrückte den Impuls zu hupen. Ein kurzer Blick auf die Uhr sagte ihm, dass seit dem Anruf knapp acht Minuten vergangen waren, und er hoffte, dass die umliegenden Geschäfte bereits evakuiert waren und sie sich nicht durch Massen von Schaulustigen kämpfen mussten. Er betrachtete ein Plakat auf einer Litfaßsäule, das für einen französischen Film warb, von dem er noch nie gehört hatte. Irgendwas Anspruchsvolles, dachte er, mit Untertiteln und ohne Handlung. Er fragte sich, wer sich solche Filme anschaute. Maria? Vielleicht hatte sie Lust, heute Abend mit ihm ins Kino zu gehen, und dann, tja, mal sehen. Gestern hatte sie sich zum Abschied an ihn gepresst, ihm einen Kuss auf den Mund gegeben und gesagt, er solle nicht sauer sein, sie gehe nie am ersten Abend mit einem Mann ins Bett.Nettes Prinzip und alles, hatte er gedacht und gelächelt, und gehofft, das Tampon, das er in der Tasche ihrer hautengen Jeans gespürt hatte, verrate den wahren Grund ihrer Zurückhaltung.
    Langsam kam der Verkehr wieder ins Rollen. Als sie bei der Polizistin angelangt waren, zeigte Widmaier seinen Ausweis und sie winkte sie durch. Beim Vorbeifahren klopfte sie aufmunternd gegen den Anhänger, der hinten am Chevy befestigt war. Drechsler steuerte den Wagen die sanfte Steigung hinauf und betrachtete die Geschäfte, die die Mariahilfer Straße beidseitig säumten. An einigen dieser Geschäfte war er gestern vorbeigeschlendert, als er ins
Europa
gegangen war, hatte in die Schaufenster geschaut und mit einer deprimierenden Klarheit festgestellt, dass er sich all das leisten konnte und nichts davon wollte.
    Aus den Augenwinkeln musterte er Widmaier, der sich noch immer mit dem Fernseher abmühte. „Weißt du was?“, sagte Drechsler und deutete mit dem Zeigefinger auf Widmaiers massige Gestalt „. Ich hätte mich nicht von dir überreden lassen sollen, dieses dämliche Abo zu bestellen.“
    Widmaier blickte auf und machte ein unschuldiges Gesicht. „Wovon redest du?“,

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