Kolibri
begann.
âIch würde da nicht reingehenâ, rief ihm der Arbeiter nach, der wohlweislich auÃerhalb des Labors geblieben war und flach durch die Nase, die er mit einem Taschentuch schützte, atmete.
âKeine Sorgeâ, sagte Karl, âdas Zeug ist nicht gefährlich.â Und dann fiel ihm wieder ein, dass Schrempf rot geworden war, als er ihn gefragt hatte, was sich in den Glasröhrchen befinde. Er drehte sich um, wischte sich mit dem Ãrmel des Kittels übers Gesicht und sagte: âIch glaube, es ist wohl das beste, wenn Sie den Chef verständigen.â
Der Arbeiter nickte. âMach ich sofortâ, sagte er und schien froh zu sein, sich stilvoll aus der Affäre ziehen zu können.
Karl entfernte einen Metallsplitter aus dem roten Plastik und drückte mit aller Kraft den Knopf des Abzuges. Nichts. Natürlich. Er hatte vorhin nicht funktioniert, warum sollte er es jetzt tun?
Das Atmen fiel ihm immer schwerer. Keuchend nahm er ein paar Teile auf und warf sie in der Ecke auf einen Haufen, als das Telefon läutete. Karl hob ab, erstaunt, dass es noch funktionierte, räusperte sich und sagte mit leiser Stimme: âJa?â
âBaumgartner, Sie Vollidiot, machen Sie, dass Sie aus dem Labor kommen! SchlieÃen Sie die Tür hinter sich und melden Sie sich umgehend bei Doktor Lehner.â
âHerr Bergerâ, sagte Karl, âes â¦â, dann merkte er, dass Berger schon aufgelegt hatte.
Er platzierte den Hörer vorsichtig auf der Gabel und wischte sich die Tränen aus den Augen. Während er zur Tür ging, fing er an zu husten.
âRosenöl, sagten Sie?â
Karl zuckte mit den Schultern. âDas zumindest hat Schrempf behauptet.â
Lehner lächelte gequält und strich sich eine Strähne seines akkurat geschnittenen grauen Haares aus der Stirn. âWürde Schrempf lügen?â
âWürde das Fernsehen lügen?â
âDann können Sie ja beruhigt sein.â Er warf einen letzten Blick auf Karls Augen, lieà ihn nochmals den Mund aufreiÃen und hörte seine Brust mit dem Stethoskop ab.
Karl saà in der Unterhose auf der mit einer Papierbahn bedeckten Liege und starrte an die Wand. Seine Kleidung lag als Haufen auf dem Sessel, der vor Lehners Schreibtisch stand, der Laborkittel hing über der Lehne, seine Turnschuhe standen davor, auf einem Stück Krepppapier.
âIn Ordnungâ, sagte Lehner, âSie können sich wieder anziehen.â
Karl sprang von der Liege und angelte sich seine Jeans vom Sessel. Während er hineinschlüpfte, musterte er Lehner, der sich gerade mit dem Handrücken über den Mund fuhr, aus den Augenwinkeln. Der Arzt trug einen schokoladenbraunen dreiteiligen Anzug unter einem weiÃen Kittel, der ein wenig zu eng schien. Unter seinem rosafarbenenHemd wölbte sich ein kleiner, harter Bauch, auf dem die Spitze einer metallblauen Krawatte mit breiten silberfarbenen Schrägstreifen ruhte. Lehner wirkte wie einer dieser gutmütigen, ein wenig altmodischen Ãrzte aus Fünfzigerjahre-Filmen. Karl konnte sich in etwa vorstellen, was für eine Qual es für diesen so offensichtlich nicht hierher passenden Mann bedeutete, an zwei Tagen die Woche in dieser Schuhschachtel von einem Zimmer präsent sein zu müssen. Der Raum maà knappe zehn Quadratmeter, bot gerade genügend Platz für die Liege, den zerkratzten Schreibtisch samt quietschendem Drehstuhl und einer Art Kommode mit drei Schubladen, in denen sich weià Gott was befand und auf der ein kleiner pelziger Kaktus auf einer braunen Untertasse vor sich hinmoderte. Vom einzigen Fenster hatte man einen tollen Blick auf die Simmeringer HauptstraÃe und die vorbeifahrenden Autos und StraÃenbahnen. SchlieÃlich riss er sich aus seinen Gedanken und fragte: âUnd?â
Lehner umrundete den Schreibtisch, legte das Stethoskop neben ein kleines gerahmtes Foto auf die Arbeitsfläche und lieà sich in seinem gefederten Ledersessel nieder. âWahrscheinlich nichts Gefährliches.â
âWahrscheinlich?â, fragte Karl und knöpfte seine Hose zu.
Lehner zog die unterste Schreibtischschublade ein wenig heraus, warf einen Blick hinein und schob sie energisch wieder zu. âSieht wirklich nach Rosenöl aus. Ein bisschen stärker konzentriert als sonst, scheint mir, aber nicht gefährlich.â
âUnd meine Augen? Der Husten? Die roten Flecken an Hals und
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