Kollaps
Effekt müssen sie auch im Mittelalter auf die Wikinger gehabt haben.
Diese Klimaveränderungen kann man heute in Grönland von Jahr zu Jahr und von Jahrzehnt zu Jahrzehnt beobachten. Aber wie steht es mit den Klimaschwankungen früherer Zeiten? Wie war das Wetter beispielsweise zu der Zeit, als die Wikinger nach Grönland kamen, und wie veränderte es sich im Lauf der fünf Jahrhunderte, in denen sie sich dort halten konnten? Wie kann man über historische Klimaverhältnisse in Grönland etwas in Erfahrung bringen? Dazu verfügen wir über drei Hauptinformationsquellen: schriftliche Aufzeichnungen, Pollen und Eisbohrkerne.
Erstens konnten die grönländischen Wikinger lesen und schreiben, und sie wurden von ebenfalls lesekundigen Norwegern besucht; für uns, die wir uns heute für das Schicksal der Wikinger in Grönland interessieren, wäre es sehr schön, wenn sie sich die Mühe gemacht hätten, Berichte über das Wetter ihrer Zeit zu verfassen. Aber leider taten sie das nicht. Für Island dagegen besitzen wir zahlreiche Berichte über das Klima in verschiedenen Jahren; darin werden kaltes Wetter, Niederschlag und Meereis beschrieben. Entsprechende Angaben finden sich in Form beiläufiger Bemerkungen in Tagebüchern, Briefen, Annalen und Berichten. Diese Informationen über das isländische Klima sind auch für die Aufklärung der Klimaverhältnisse in Grönland von einem gewissen Nutzen, denn wenn es während eines Jahrzehnts in Island kalt war, galt das Gleiche in der Regel auch für Grönland, auch wenn die Übereinstimmung nicht vollkommen ist. Auf sicherem Grund bewegen wir uns jedoch, wenn wir Bemerkungen über das Meereis rund um Island im Hinblick auf ihre Bedeutung für Grönland interpretieren, denn genau dieses Eis machte es so schwierig, mit dem Schiff von Grönland nach Island oder Norwegen zu gelangen.
Die zweite Informationsquelle über das Klima vergangener Zeiten sind Pollenproben aus Eisbohrkernen, die von Palynologen aus Seen und Sümpfen in Grönland gewonnen wurden. Diese Pollenforscher sind uns mit ihren Erkenntnissen über die Vegetation früherer Zeiten auf der Osterinsel und im Gebiet der Maya bereits begegnet (Kapitel 2 und 5). Im Schlamm am Boden eines Sees oder Sumpfes zu bohren, mag uns Laien nicht besonders aufregend erscheinen, aber für Palynologen ist es das Paradies: Je tiefer die Schlammschichten liegen, desto mehr Zeit ist seit ihrer Ablagerung vergangen. Durch Radiokarbondatierung der organischen Substanzen in einer Schlammprobe kann man feststellen, wann die betreffende Schicht sich abgesetzt hat. Pollenkörner verschiedener Pflanzenarten sehen unter dem Mikroskop unterschiedlich aus, sodass der Palynologe anhand des Pollens in seiner Schlammprobe etwas darüber aussagen kann, welche Pflanzen in dem betreffenden Jahr in der Nähe des Sees oder Sumpfes wuchsen und ihren Pollen freisetzten. Mit zunehmender Klimaabkühlung verschiebt sich das Verhältnis immer stärker von den Bäumen, die Wärme brauchen, zu den kältetoleranten Gräsern und Seggen. Die gleiche Veränderung beim Pollen kann aber auch bedeuten, dass die Wikinger immer mehr Bäume abholzten: deshalb haben die Palynologen auch andere Methoden entwickelt, mit denen sie zwischen diesen beiden Deutungen für eine Abnahme der Menge an Baumpollen unterscheiden können.
Die bei weitem genauesten Erkenntnisse über das Klima Grönlands in früheren Zeiten schließlich liefern die Eisbohrkerne. Im kalten und vorübergehend auch nassen Klima Grönlands bleiben die Bäume klein. Sie wachsen nur an bestimmten Stellen, und ihr Holz verrottet schnell. Deshalb findet man in Grönland nicht die Balken mit wunderbar erhaltenen Jahresringen, mit deren Hilfe die Archäologen bei den Anasazi in den Wüsten der südwestlichen USA die Klimaveränderungen von Jahr zu Jahr rekonstruieren konnten. Aber auch in Grönland haben die Archäologen Glück: Statt Baumringen können sie Eisringe untersuchen -oder genauer gesagt, Eisschichten. Der Schnee, der Jahr für Jahr auf die Eiskappe Grönlands niedergeht, wird durch das Gewicht, das in späteren Jahren hinzukommt, zu Eis zusammengepresst. Der Sauerstoff in dem Wasser, aus dem Schnee oder Eis besteht, setzt sich aus drei verschiedenen Isotopen zusammen, das heißt, er enthält drei Arten von Sauerstoffatomen, die in ihrem Kern eine unterschiedliche Zahl umgeladener Neutronen besitzen und deshalb ein unterschiedliches Atomgewicht haben. Die bei weitem vorherrschende Form des natürlichen
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